Die Logik der Lage

Geschrieben von Uwe Jochum am 4.2.2022

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Uwe Jochum

Wissenschaftlicher Bibliothekar

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Längst ist alles gesagt, was zu »Corona« zu sagen war. In normalen Zeiten wäre aus diesem Sagen eine öffentliche Debatte mit viel Ja und viel Nein entstanden, die im Fernsehen, dem Rundfunk und den Zeitungen hätte verfolgt werden können. Aber in den unnormalen Zeiten, die seit dem Februar 2020 herrschen, wurden das Ja und das Nein auf zwei verschiedene Kanäle verteilt und voneinander isoliert, so daß keine Debatten zustande kamen.

Die Ja-Sager der Regierung und der ihnen folgenden Kartellmedien konnten sich daher in ihren Zahlentürmen und immer wieder »nachgeschärften« Maßnahmen einrichten, mit denen sie wahlweise den Zusammenbruch des Gesundheitssystems, das Massensterben »vulnerabler Gruppen« oder so etwas wie eine allgemeine Menschheitsbedrohung zumindest auf nationaler Ebene vermeiden wollten.

Die Nein-Sager wichen auf alternative Medien aus und widmeten sich dort der akribischen Widerlegung der vom Robert-Koch- (RKI) oder Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Umlauf gebrachten Zahlen, dem Aufweis von absurden Widersprüchen in den als Expertisen verbreiteten Statements und Interviews von Drosten bis Lauterbach und der Beibringung einer Überfülle wirklichkeitsgesättigter Fakten, die man aus der Beobachtung des Virusgeschehens in Schweden, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten gewinnen konnte und kann.

Im Jahre 2 n.C. stellt sich nun heraus, was jeder, der wissen wollte, von Beginn an wissen konnte: Die Nein-Sager haben die größere Portion Wahrheit auf ihrer Seite, weil die größere Portion Wirklichkeit auf ihrer Seite ist. Es ist die Wirklichkeit eines viralen Erregers, dessen Gefährlichkeit irgendwo zwischen einer leichten bis mittelschweren Grippe oszilliert. Nichts an dieser Wirklichkeit nötigte je und nötigt heute noch zu Pandemiemaßnahmen, wie wir sie seit zwei Jahren erleben und wie sie immer noch »nachgeschärft« werden. Im Gegenteil: Die Maßnahmen sind längst vom Versuch einer Problemlösung zum Problem selbst mutiert.

Daß man sie nicht endlich stoppt, liegt nicht nur daran, daß durch die Kanaltrennung das Gros der Öffentlichkeit nur das Ja-Sagen kennt und folglich die von der Politik verfügten Maßnahmen für wirklichkeitsadäquat hält. Es liegt vielmehr auch daran, daß die Politik die Ja-Nein-Kanaltrennung zur Ultima ratio erhoben hat, um die mit ihrem Ja-Sagen gesetzten Ziele möglichst ungestört vom Nein der Einwände und Proteste weiter durchsetzen zu können. Daß diese Ziele längst nichts mehr mit dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu tun haben, ergibt sich daraus, daß sie mit einer epidemiologisch gebotenen Prävention lange schon nicht mehr begründet werden können. Warum zieht man sie dann weiter durch?

Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Der Grund für die Maßnahmen, die wir immer noch haben und von deren permanenter »Nachschärfung« die Politik in den Ländern und im Bund immer noch besessen ist, liegt in der Aufrechterhaltung der Macht. In nichts anderem. Und damit muß man die Maßnahmen von der Logik der Machterhaltung her analysieren. Jeder Versuch, sie als wirklichkeitskonforme Pandemiebekämpfung ernst zu nehmen und durch Zahlen, Fakten und Argumente zu widerlegen, ist zum Scheitern verurteilt. Denn die Politik ignoriert diese Sachebene seit spätestens Mai 2020, als sie die Maßnahmen aufgrund des Rückgangs des Infektionsgeschehens hätte beenden und sich an der Realität hätte neu orientieren müssen, wenn sie eine Sachpolitik hätte betreiben wollen.

Daß die Politik die Sachebene seit dem Frühjahr 2020 ignoriert, liegt an der für die Politik offenbar überwältigenden Erfahrung, die sie mit den angeordneten Maßnahmen gemacht hat: Anfangs wurde jede Maßnahmenverschärfung, jeder Rückbau bürgerlicher Freiheitsrechte und jeder Abbau juristischer Sicherungen von den Wählern als Zeichen von Handlungskompetenz beklatscht, so daß das Gewicht der auf Wählerfang gehenden Politiker sich in dem Maße erhöhte, wie sie die Fundamente unseres Staates zu zerlegen begannen. Das auf diese Weise etablierte Zwangsregime, das sich in immer mehr Lebensbereiche regulativ einschlich, hatte daher für die Politik den äußerst attraktiven Doppelaspekt, daß man mit jedem dieser Eingriffe Handlungskompetenz darstellen und zugleich sein persönliches Ansehen beim Wähler exponentiell steigern konnte. Der schärfste Hund im ganzen Land, das war der, der die Mask erfand. Alles andere folgte aus dieser Logik.

Damit diese Logik funktioniert, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens muß der Nein-Kanal dauerhaft ausgeschaltet werden. Das ist im wesentlichen dadurch gelungen, daß die Kartellmedien auf Spur gebracht wurden und man zugleich damit begann, die außerhalb dieses Medienkartells agierenden alternativen Medien zu kujonieren: Im Internet gingen auf Twitter, Facebook und YouTube muntere Löschorgien los, Bankkonten kritischer Journalisten wurden gekündigt, reichweitenstarke alternative Medienkanäle bekamen Besuche von den Landesmedienanstalten. Dadurch war und ist es möglich, die Mehrheit der Wähler, die die öffentlich-rechtlichen Medien und das Gros der Zeitungen immer noch für seriös hält, in jenem viralen Panikraum gefangenzuhalten, in dem ihnen jeden Tag aufs Neue mit der letalen Infektion durch Corona gedroht wird, einer Infektion, vor der sie jeden Tag aufs Neue diese oder jene von diesem oder jenem Politiker verfügte »Nachschärfung« retten wird. Nur noch etwas mehr Maske, nur noch etwas mehr Abstand, nur noch eine Injektion mehr.

Zweitens aber hängt das Funktionieren der Maßnahmenlogik davon ab, daß die Eigenlogik des Virus ihr nicht in die Quere kommt. Auf keinen Fall darf sich das Virus als grippeähnlich und damit im wesentlichen als saisonal-viraler Normalfall entpuppen. Und schon gar nicht darf sich herausstellen, daß es im Grunde immer schon zu den endemisch in der Population zirkulierenden Viren gehörte, gehört und gehören wird. Und erst recht darf sich nicht herausstellen, daß die bisher verfügten Maßnahmen mit ihrer je länger je grotesker werdenden Überregulierung im Verein mit einer von dem Virus erlösenden Injektion die Sache insgesamt nicht verbessert, sondern drastisch verschlechtert haben. Auf keinen Fall darf es dramatisch zunehmende Impfschäden geben, auf keinen Fall darf es dahin kommen, daß die Zahl der Impftoten die der Coronatoten übersteigt.

Aber genau das geschieht nun. Seit spätestens dem Sommer 2021 läßt sich beobachten, wie sich die negativen Effekte der Maßnahmen allmählich ins Bewußtsein der Mensch schleichen: Jeder kann in den Einkaufsstraßen der Städte inzwischen die Leerstände sehen, welche die durch die Ausgangssperren und das virale Apartheidsregime hevorgerufene ökonomische Krise anzeigen; und jeder kennt inzwischen jemanden, der an den Folgen der »Grundimmunisierung« durch Doppelinjektionen oder »Boosterung« zu leiden hat – oder gar gestorben ist. Initiativen wie das israelische »Testimonies Project« oder die von »Servus TV« ausgestrahlten Berichte über Impfgeschädigte setzen sich allmählich im medialen Rauschen durch.

Und das bedeutet: Trotz strengster Abschirmung diffundiert die Realität allmählich in den Ja-Kanal. Die Kartellmedien, die mit der Politik gemeinsame Sache machten, müssen daher jeden Tag etwas mehr gegen die Realität ansenden und anschreiben, und je mehr sie das tun, desto dogmatischer und verbissener müssen sie die Grenzen des Panikraums verteidigen, bis die Dogmatik zuletzt ins Lächerliche umkippt und niemand mehr ernst nimmt, was dort geschrieben oder gesendet wird.

Es bedeutet aber auch, daß die Politiker, deren exponentieller Machtzuwachs sich ganz wesentlich ihrer antiviralen Maßnahmenrhetorik verdankt, sich nun von einem virusbedingten exponentiellen Machtverlust bedroht sehen. Wo das Virus macht, was es will, und wo sich herausstellt, daß die politischen Eingriffe in das Virusgeschehen sinnlos, unnötig und kontraproduktiv waren und sind, müßte die Politik im Grunde einen Offenbarungseid leisten.

Das aber kann sie nicht, denn es hieße, die bisher dank des Virus und der Maßnahmenlogik akquirierte Macht abgeben und etwas tun, was kein Politiker öffentlich tun kann: einfach aufhören. Wir sehen daher, wie die Politik mit ihrer Nachschärfungsrhetorik fortfährt und die Medien gegen noch den leisesten Windhauch, der im Volk auf dissidente Ansichten schließen läßt, in Stellung bringt; und wo das nicht mehr hilft, muß inzwischen die Bereitschaftspolizei ran und auf den Straßen und Plätzen aufräumen, auf daß sie eine virale Panikzone bleiben.

Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Wo das Virus an der Politik vorbei macht, was es will, und wo die Menschen an der Politik und den Medien vorbei wahrnehmen, was wirklich ist, bilden sich zunehmend Gruppen, die diese ihre Wirklichkeitswahrnehmung gegen die von Politik und Medien verbreitete Virusdogmatik in Stellung bringen und immer lauter sagen, schreiben und senden, was ist.

Damit entgleitet der Politik nicht nur die Wirklichkeit, sondern es entgleitet ihr allmählich auch das Volk, von dessen Zustimmung die Politik letzten Endes abhängt. Dieser Prozeß des Entgleitens läßt sich daran erkennen, daß die von den Politikern begangenen Verstöße gegen das von ihnen selbst initiierte Maßnahmenregime anfangs als Versehen oder kleinliche Quisquilie einer überempfindlichen Öffentlichkeit weggeredet werden konnten, jetzt aber zunehmend als das gehandelt werden, was sie in Wahrheit sind: als Manifestationen von Heuchelei.

Die Reden der Politiker und ihre Maßnahmen als Heuchelei zu begreifen heißt, zu erkennen, daß das, was sie sagten und taten, nicht nur nicht ihren Überzeugungen entsprach, sondern auch offen gegen die ihnen zum Zeitpunkt ihres Sagens und Tuns bereits bekannte Wirklichkeit und Wahrheit gesagt und getan war. Der »Schutz der vulnerablen Gruppen«, die »Vermeidung der Überlastung des Gesundheistsystems«, die »Impfung als Liebe« (Papst) oder um des »Gemeinschaftsschutzes in der Bevölkerung« (Bundesregierung) willen — das alles hatte nur einen Schein von Vernunft, weil es, als es vorgebracht wurde, bereits als falsch bekannt war.

Sobald der Schein von Vernunft im Gerede und Getue der Politiker erkannt ist, tritt ihre Scheinheiligkeit offen zutage. Das ist der Moment, in dem aus dem öffentlich beklatschten Hardliner, der vor politischer Kraft schier nicht mehr laufen konnte, das kleine Mäuschen wird, das sich ruhig verhält und höchstens nur noch fiept, um von der Wucht der viralen Realität und dem wachsenden Unmut all derer, die man im Nein-Kanal isoliert glaubte, nicht zertreten zu werden. Ob es gelingt, dieses öffentliche Fiepen als Resultat stillen Nachdenkens zu verkaufen, aus dem eine Änderung des Redens und Tuns resultiert, wird davon abhängen, ob die Kartellmedien es weiterhin schaffen, die Kanaltrennung aufrecht zu erhalten und die Wirklichkeit portionsweise in den Ja-Kanal zu integrieren, ohne das gläubige Volk, das in diesem Kanal mitlief, vor den Kopf zu stoßen und eine Glaubwürdigkeitskrise auszulösen.

Die Chancen dafür stehen schlecht. Das liegt nicht nur daran, daß ein einfacher Blick auf die Talkshowszene und die Nachrichtensendungen der Kartellmedien zeigt, daß man dort immer noch mit dem stattsam bekannten Panikpersonal Panik sendet und offenbar nicht in der Lage ist, die Lage zu begreifen. Daß die Chancen schlecht stehen, liegt vor allem daran, daß die Entdeckung der Scheinheiligkeit der politischen Corona-Akteure nicht mit einer Korrektur der Verordnungen und Maßnahmen aus der Welt zu schaffen ist, sondern nur mit einer Abdankung des scheinheiligen Personals. Es hat seinen politischen Kredit verspielt, weil das, was es sagte und tat und weiterhin sagt und tut, alle Glaubwürdigkeit verloren hat.

Das weiß dieses Personal natürlich. Und deshalb reagiert es so, wie es derzeit vor allem an Winfried Kretschmann und Boris Palmer zu beobachten ist: geradezu mit Haß. Er gilt vor allem jenen, die durch ihren öffentlichen Protest deutlich machen, daß der bislang als isoliert geltende und angeblich nur von einer kleinen Minderheit bevölkerte Nein-Kanal weder isoliert ist noch als Minderheitenphänomen an die Seite geschoben werden kann. Mit ihnen drängt vielmehr ebenjene Wahrheit und Wirklichkeit des Virus in den öffentlichen Raum, vor der man den Ja-Kanal schützen wollte.

Da dieser Schutz nun aber versagt und nicht nur die virale Wahrheit nicht mehr verborgen werden kann, sondern zusammen mit dieser Wahrheit die Scheinheiligkeit des Personals offen zutage tritt, bleibt nichts anderes mehr übrig, als verbal um sich zu schlagen und die Protestierer als »Aasgeier der Pandemie« (Kretschmann) zu diffamieren. Oder eben gleich, wie Kretschmanns ideologischer Juniorpartner Palmer, die Schlinge um den Hals der bürgerlichen Demonstranten und Maßnahmengegner zuzuziehen und neben einer drakonischen Geldstrafe für Impfverweigerer auch gleich noch Beugehaft zu fordern.

Natürlich wird diese verbale und juristische Eskalation damit begründet, daß die Maßnahmenkritiker und »Impfverweigerer« schlicht »komplett ignorant« seien; darin sind sich Palmer und Kretschmann völlig einig. Man muß aber nur einen Schritt zurücktreten, um zu erkennen, daß wir hier einen einfachen Spiegelungseffekt vor uns haben, bei dem der wirkliche Ignorant dem in Wahrheit und Wirklichkeit gut Informierten vorwirft, ein Ignorant zu sein. Doch während die vermeintlich Ignoranten, in Wahrheit aber gut Informierten, ihren Gegnern Gespräche anbieten, um über die Wahrheit und Wirklichkeit des Virus und die Geeignetheit der Maßnahmen zu debattieren, macht der wirkliche Ignorant angesichts der drohenden Entdeckung seiner Scheinheiligkeit das, was er bisher so erfolgreich gemacht hat: Er glaubt, in der verbalen und politisch-juristischen Aufrüstung die im Panikmodus mitlaufenden Ja-Sager weiterhin auf seine Seite ziehen und damit durch die Macht der Masse den Widerstand der Opponenten brechen zu können.

Das aber wird nicht gelingen. Denn Macht ist ein durchaus zartes Pflänzchen, das nur dann aufwächst, wenn die politisch agierenden Gruppen in einem gemeinsamen Raum und mit einer gemeinsamen Sprache in der Weise agieren, daß die dabei zutage tretenden Konflikte vermittelt und aus den vermittelten Konflikten tragfähige Kompromisse gewonnen werden können. Diesen Weg haben sich die Kartellparteien in dem Moment verbaut, als sie auf die Isolierung des Nein-Kanals setzten, um durchregieren zu können. Sie haben es sich damit leicht gemacht, aber der Preis dafür ist der Machtverlust, der von Woche zu Woche deutlicher zutage tritt und dessen Lackmustest die öffentlichen Spaziergänge sind. Wer in dieser Situation glaubt, die Spaziergänger und Demonstranten durch Polizeigewalt von der Straße prügeln zu können, der hat nicht verstanden, daß er damit kurzfristig den öffentlichen Raum zwar leeren kann, aber diese Leere nur das Sinnbild des in der Polizeigewalt sichtbar werdenden Machtverlustes ist.

Eine demokratische Politik, die sich ihrer Sache und ihrer Argumente sicher ist, braucht keine Demonstranten und erst recht keine Spaziergänger zu fürchten. Daß man sie fürchtet und gewaltsam von der Straße scheucht, heißt nichts anderes als: die politischen Akteure lassen ihre demokratische Maske fallen. Die Spaziergänger muß das nicht kümmern. Indem sie weiter spazierengehen, zeigen sie, was wirkliche Macht ist: die Freiheit, sich nach eigenem Willen zusammenzuschließen und gemeinsam etwas zu bewegen. Das verstehen inzwischen immer mehr Menschen.