Heimatkunde

Teil drei

Geschrieben von Uwe Jochum am 13.9.2023

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Uwe Jochum

Wissenschaftlicher Bibliothekar

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Die große Vernachlässigung

In der guten alten Zeit, als die Universitäten noch freie Forschung und Lehre pflegten und der wissenschaftliche Austausch bisweilen zu heftigen akademischen und öffentlichen Debatten führte, bei denen die Lehren natürlich zäh verteidigt, aber ebenso natürlich auch zurückgezogen wurden, gab es die schöne Literaturgattung der »Retractationes«. Das waren die Bücher, die einer schrieb, nachdem er das, was er früher geschrieben hatte, durchgesehen und korrigiert hatte, um die ihm unterlaufenen Irrtümer aus der Welt zu schaffen.

Heute ist das längst anders: Das Einräumen eines Irrtums wird als Schwäche wahrgenommen, und so kleben die Wissenschaftler an ihren überkommenen Theorien wie die Politiker an ihrem Mandat oder Ministersessel. Man macht stur weiter, als wäre nichts gewesen; und man wundert sich höchstens ab und zu, daß das staunende Publikum das anders sieht und auf Ehrlichkeit und Seriosität pocht.

Machen wir es daher hier so, wie man es früher machte und schauen wir, was sich seit der »Heimatkunde. Teil eins« an Korrigierenswertem ergeben hat.

Da wäre zum ersten zu vermelden, daß die Sperrholztüre in dem Gebäude der Fachhochschule inzwischen ersetzt wurde. Und zwar offensichtlich durch die reparierte oder vom Schreiner aufgearbeitete Originaltüre, so daß das Gebäude wieder in jenen schönen Zustand zurückversetzt wurde, wie er vom Gipsermeister Stehle, dem Erbauer des Gebäudes, einst gedacht war. Das ist wunderbar.

Neue alte Tür [Neue alte Tür. Photo: Uwe Jochum.]

Zum zweiten wäre zu vermelden, daß die im ersten Teil meiner »Heimatkunde« überall bemerkte Verfleckung der Plätze und Bürgersteige zumindest teilweise behoben wurde. Irgendwer hat sich dann doch den Schneid nicht abkaufen lassen wollen und wurde aktiv. Oder, andere Möglichkeit, es war sowieso mal wieder eine turnusmäßige Reinigung des öffentlichen Raums angesagt. Ich weiß es nicht. Ich bin zufrieden damit, daß man die gröbsten Verfleckungen und Klebrigkeiten beseitigt hat.

Was nicht heißt, daß man nun so etwas wie einen Reinigungsplan zur Anwendung bringt oder sich morgens vor Öffnung eines Geschäfts mit dem Wasserschlauch daran macht, die Klebeflecken des Vortags zu entfernen. So weit geht es offensichtlich dann doch nicht, wie man hier sieht:

Immernoch-Flecken [Immernoch-Flecken. Photo: Uwe Jochum.]

Im Vergleich zu dem Zustand, den ich im ersten Teil dieser »Heimatkunde« festgehalten habe, ist das freilich eine Verbesserung. Im Vergleich zu dem, wie es sein sollte, ist es aber weit vom Optimum entfernt. Offenbar ist immer noch nicht klar, wer hier verantwortlich sein sollte und, vor allem, wer hier aktiv werden müßte. Und zwar regelmäßig. Täglich.

Und da paßt es gut, was drittens hier noch zu vermelden ist, nämlich ein Brief des Konstanzer Oberbürgermeisters, dem ich meine heimatkundliche Momentaufnahme zugeschickt hatte mit der Bitte, die Stadt möge das nicht auf sich beruhen lassen. Er schrieb mir am 27. Juli d.J. freundlicherweise zurück, und ich will das hier gerne dokumentieren:

Sehr geehrter Herr Jochum,
vielen Dank für Ihre Nachricht und die Zusendung Ihres Blogbeitrags. Ich muss Ihnen gleich sagen, dass ich Ihre Sichtweise nicht teile, auch die Wirtschaftsförderung der Stadt Konstanz schreibt dazu:
»In der Konstanzer Innenstadt gibt es vereinzelt Ladenflächen, die schon seit längerer Zeit ungenutzt sind. Bauliche Mängel und hohe Erwartungen an die Mieteinnahmen sind häufig die Gründe. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage durch die Folgen des Ukrainekrieges müssen Vermieter mehr Zugeständnisse machen. Dennoch läuft im Vergleich zu anderen Städten die Nachbesetzung relativ gut, weniger als 15 freie Flächen sind derzeit registriert. Mit unseren großen Pull-Faktoren See, Münster und individueller Einzelhandel kommen jährlich mehr als 4,5 Mio. Tagesgäste in unsere Innenstadt. Die Sanierung des Bahnhofplatzes bringt auf lange Sicht eine Attraktivitätssteigerung für die Stadt.«
Die vermeintlichen »vermüllten« Stellen, die Sie beschreiben liegen auf privatem Grund. Die Technischen Betriebe der Stadt können da nur bedingt eingreifen. Sollte Ihnen doch mal etwas auf öffentlichen Flächen auffallen, dann empfehle ich Ihnen den Mängelmelder der Stadt Konstanz. Auf folgender Seite können Sie sich informieren: https://konstanz-mitgestalten.de/
Ich empfinde die Stadt Konstanz als sehr lebenswert und überhaupt nicht in einer Abwärtsspirale. Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Wir wollen uns das einmal kurz von hinten her anschauen:

  1. Die »vermeintlich ›vermüllten‹ Stellen« sind keineswegs vermeintlich vermüllt, sondern sehr real. Das kann jeder sehen, der sich die Mühe gemacht hat, die Bilder des ersten Teiles dieser »Heimatkunde« anzuschauen. Die Bilder des zweiten Teiles der »Heimatkunde« belegen das zusätzlich.

  2. Die Stadt Konstanz ist sehr aktiv, wenn es um den vermeintlichen Klimaschutz und den vermeintlichen Schutz von Flüchtlingen geht; da gibt es von der Stadt verantwortete Programme und Aktionspläne. Während man also das ganz große Rad drehen will, dreht man vor Ort, also dort, wo man die unmittelbare Verantwortung hat, lieber nur kleine oder besser noch gar keine Räder und schiebt die Verantwortung auf andere.

  3. Es ist sicherlich sehr freundlich vom Oberbürgermeister gemeint, daß ich doch ein Meldeportal nutzen sollte, wenn mir etwas Verbesserungswürdiges auffällt. Aber ich bin da sehr altmodisch: Ich zahle Steuern und meine daher, daß mit meinem Steuergeld ebenjene Männer und Frauen bezahlt werden sollten, die sich um den öffentlichen Raum der Stadt kümmern, und zwar auch en détail. Etwa so, daß man ab und zu das Büro verläßt, um zu schauen, wie es auf den Straßen und Plätzen aussieht und was man dort tun sollte. Aber wahrscheinlich irre ich mich da.

  4. Ob es in der Innenstadt »vereinzelt« Leerstände gibt, ist eine Frage der Perspektive. Wenn ich in der Innenstadt in der A- und der B-Zone auf fünf Leerstände komme, auf einer Fläche von vielleicht einem Quadratkilometer, finde ich das viel. Der Bürgermeister nennt noch zehn weitere Leerstände, die offenbar außerhalb der Innenstadt liegen. Das macht es nicht besser.

  5. Daß diese Leerstände eine Folge des Ukrainekrieges seien, ist ein kleiner Scherz des Bürgermeisters beziehunsgweise der hiesigen Wirtschaftsförderer. Jeder kann wissen, daß die Malaise viel früher schon begann, sich in der Ära Merkel allmählich aufbaute und in der Corona-Maßnahmenzeit in die öffentliche Sichtbarkeit überführt wurde. Der Ukraine-Krieg ist hierbei nicht mehr als das i-Tüpfelchen.

Nun, schauen wir, wie es weitergeht mit der Stadt Konstanz und ihren spezifischen Problemen.