Der Papst und der Krieg in der Ukraine

Geschrieben von Uwe Jochum am 17.3.2024

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Uwe Jochum

Wissenschaftlicher Bibliothekar

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Was für eine Aufregung: Vom ukrainischen Außenminister über Agnes Strack-Zimmermann, Katrin Göring-Eckardt, Roderich Kiesewetter bis hin zur deutschen Außenministerin Annalena Baerbock schrillt es uns entgegen, daß die Ukraine niemals die weiße Fahne hissen und kapitulieren dürfe und man den Papst, der solches gesagt haben soll, einfach nicht verstehe.

Was war geschehen? Am vergangenen Sonntag hatte Papst Franziskus anläßlich seines zehnjährigen Pontifikats dem italienischsprachigen Fernsehen der Schweiz ein Interview gegeben, das in voller Länge erst am 20. März ausgestrahlt werden wird. Vorab aber waren Ausschnitte aus dem Interview in Transkriptionen verbreitet worden, und so erfuhr die Öffentlichkeit, daß Franziskus unter anderem nach dem Krieg in der Ukraine gefragt worden war.

Die sachliche Antwort des Papstes im Hinblick auf den Krieg umfaßt drei Punkte: Erstens gibt er eine grobe Skizze der Hintergründe des Krieges, von dem er sagt, er sei aufgrund der Verwicklung der Großmächte längst ein Weltkrieg geworden. Zweitens bietet er den Vatikan erneut als diplomatischen Akteur zwischen den Konfliktparteien an. Und drittens schaut er auf die konkrete Lage der ukrainischen Armee und sagt wörtlich: »Wenn du siehst, daß du besiegt wirst, dass die Dinge nicht gut laufen, habt den Mut, zu verhandeln.«

Diese Antwort erfolgt auf die direkte Frage des Interviewers, ob es zum Hissen der weißen Fahne nicht auch Mut brauche. Woraufhin der Papst tatsächlich sagt, daß derjenige stärker sei, der den Mut aufbringe, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln.

Es ist dieser Satz, der sofort von den deutschen Kartellmedien und den kriegsinteressierten Politikern skandalisiert und dem Papst zum Vorwurf gemacht wurde. Der Papst, so schreit es überall, habe die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert.

Stellt man das Skandalgeschrei einen Moment lang ab und fragt nach der Sachhaltigkeit und Begründbarkeit der päpstlichen Position, muß man an zwei Dinge erinnern.

Zum einen ist das Hissen der weißen Flagge kein Kapitulationszeichen. Es ist vielmehr das Zeichen dafür, daß die Kriegspartei, die die Flagge hißt, mit der anderen Kriegspartei verhandeln will. So legen es das Kriegsvölkerrecht und die Haager Landfriedensordnung fest und so könnte man es als Völkerrechtlerin wissen, wenn man denn das Völkerrecht studiert hätte. Das ist aber offenbar weder bei den journalistischen noch bei den politischen Akteuren der Fall, und so dürfen diese beiden Akteure kollusiv framen, was das Zeug hält, auch wenn dieses Zeug absolut wirklichkeitswidrig und wahrheitsfremd ist.

Zum andern spricht der Papst — anders als all die Kiesewetters, Strack-Zimmermanns und Baerbocks — nicht aus dem hohlen Bauch heraus, sondern vor dem Hintergrund der im Christentum seit langem verwurzelten Lehre vom »Gerechten Krieg«. Krieg nämlich, so hätte man im Katechismus der Katholischen Kirche unter Nummer 2309 nachlesen können, ist in Notwehr als Verteidigungskrieg ausschließlich dann gerechtfertigt, wenn vier Bedingungen erfüllt sind:

Erstens muß der Angriff, der abgewehrt werden soll, tatsächlich zu einem schwerwiegenden und dauerhaften Schaden aufseiten des Angegriffenen oder der Völkergemeinschaft führen.

Zweitens müssen sich alle anderen Mittel, um dem Krieg ein Ende zu machen, als wirkungslos herausgestellt haben.

Drittens muß der Verteidigungskrieg mit Aussicht auf Erfolg geführt werden können.

Und viertens dürfen durch die Verteidigung nicht größere Schäden angerichtet werden als durch den Angriff.

Auch ein militärischer Laie und auch ein täglich durch das Stahlbad der Kartellmedien gehender Kopf wird erkennen können, daß diese Bedingungen gar nicht oder zum großen Teil nicht erfüllt sind. Der Papst konnte sich daher als Verteidiger der katholischen Lehre gar nicht anders äußern, als er es getan hat. Er tat es in dem Bewußtsein, daß die christliche Lehre vom Gerechten Krieg über Jahrhunderte aus realen Erfahrungen mit Kriegen erwachsen ist und diese Erfahrungen vor dem Hintergrund des neutestamentlichen Friedensgebotes verarbeitet hat. Kurzum: Die Äußerungen des Papstes sind sachlich und moralisch von hohem Gewicht, die Äußerungen der deutschen Kriegsfanatiker sind es nicht.


Der vorstehende Text wurde am 13. März 2024 im Kontrafunk in der Sendung »Kontrafunk aktuell« als Tageskommentar gesendet.