Wissen Sie eigentlich noch, was der Kern der christlichen Botschaft ist? Nein, Sie wissen es nicht? Das macht nichts, denn inzwischen können Sie getrost davon ausgehen, daß die gegenwärtigen Verwalter der christlichen Konkursmasse es auch nicht mehr wissen.
Fast 2000 Jahre ist es her, daß der Apostel Paulus seinen Gemeinden davon schrieb, daß Christus für unsere Sünden starb, am dritten Tage auferweckt wurde und dann einer ganzen Reihe von Menschen erschienen ist, die die Auferweckung bezeugen können. Die Auferstehung ist, wie Paulus deutlich macht, das Zentralereignis der christlichen Heilsbotschaft. Von der Auferstehung her geht es dem Christentum darum, daß die vom Menschen beschädigte und deshalb vom Tod durchzogene Schöpfung im vollen Sinn wieder heil werden soll und daß dabei — auch das schreibt Paulus — als letzer Feind der Tod vernichtet werde (1 Kor 15,26).
Dieses Heilwerden der Schöpfung ist keine Sache der natürlichen Evolution, es ist aber auch keine Sache, die Gott mit sich alleine zu unserem Besten ausmachen würde. Es ist eine Sache, bei der wir Menschen maßgeblich mittun müssen; und zwar, wie Paulus sagt, als »Gottes Mitarbeiter« (1 Kor 3,9). Diese Mitarbeit besteht nicht darin, den Unterschied zwischen Mann und Frau in Frage zu stellen, auch nicht darin, Klimaziele zu verkünden und die modRNA-Injektionen als christliche Liebestat zu erzwingen. Die Mitarbeit, die wir als Menschen zu leisten haben, besteht in etwas völlig anderem. Nämlich darin, Gott den Herrn von ganzen Herzen, aus ganzer Seele, aus dem ganzen Denken heraus und mit ganzer Kraft zu lieben. Und schließlich besteht die von uns gefordete Mitarbeit darin, das größte christliche Gebot zu leben. Es lautet: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« (Mk 12,28–34)
Das ist der Kern der christlichen Botschaft. Er lautet übersetzt: Sei mit dir selbst im Reinen, sei zu dir selbst gut — dann kannst du auch deinem Nächsten gut sein. Denn dein Verhältnis zu Gott ist keine Sache der sonntäglichen Gottesdienste und der Verbandszugehörigkeit — dein Verhältnis zu Gott ist dein Verhältnis zu dir selbst und zu deinem Nächsten. Und dieser Nächste ist nicht irgendwer weit hinterm Horizont, sondern der Mensch, mit dem du hier und jetzt zusammenlebst. Sei gegenwärtig und aufmerksam deinen Nächsten zugewandt, dann bist du bei Gott.
Von hier aus bemißt sich der Abfall der katholischen Kirche vom christlichen Weg. Dieser Abfall ist dokumentiert in zwei Beschlüssen der jüngsten Zeit.
Es begann Ende Februar mit der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, daß der »völkische Nationalismus«, den die Bischöfe der AfD unterstellen, mit dem christlichen Menschenbild nicht zusammenpasse. Daher sei die Zugehörigkeit zur AfD unvereinbar mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche. Das ist eine besonders groteske Erklärung, weil sie am Ende als Trumpf die Karte der Menschenwürde auszuspielen versucht und dabei das Herzblatt des Lebensschutzes von seinem Anfang bis zu seinem Ende zieht — ohne mit einem Wort zu erwähnen, daß es nun ausgerechnet die AfD ist, die als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien explizit verhindern will, daß Abtreibungen zu einem Menschenrecht uminterpretiert werden.
Noch grotesker wird es, wenn man sich die allerneueste Erklärung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend anschaut. Wir erfahren da, daß sich dieser Bund als »antifaschistisch« versteht und das Thema »Antifaschismus« in allen Jugend- und Diözesanverbänden weiter »ausgestalten« will. Was das heißt, erfährt der neugierige Leser umgehend, ich zitiere: »Für uns ist die Wahl oder Unterstützung dieser Partei [gemeint ist die AfD] nicht vereinbar mit unserer antifaschistischen Grundüberzeugung als Jugendverbandler*innen.« Daher könne man nicht zugleich AfD- und katholisches Jugendverbandsmitglied sein, daher werde die AfD auch nicht zu Verbandstagungen eingeladen, daher solle die Desiderius-Erasmus-Stiftung auch kein staatlichen Zuwendungen erhalten, der jährliche »Marsch für das Leben« solle sich von der AfD distanzieren, und zu guter Letzt sollen nun auch die Sternsinger keine AfD-Politiker mehr besuchen.
Man kann es schon beim Vorlesen nicht überhören: Das alles ist linkswoker Politsprech inklusive Gender-Schluckauf. Es ist ein katholisch weichgespülter Antifantismus, der von »partizipatorischen Prozessen« und »demokratischen Kontrollmechanismen« ebenso besessen ist wie von »strukturellem Rassismus« und »Queerfeindlichkeit« in der Kirche. Es ist ein Jargon, der unendlich weit entfernt ist von jenen Worten, die Papst Benedikt XVI. im Jahre 2011 in Freiburg sprach, als er die Christen dazu anhielt, für ihr Leben Maß an Christus zu nehmen. Und das hieß für Benedikt: nicht mit ehrgeizigen Projekten zu prahlen, sondern demütig zu sein und aus dieser Demut heraus auf andere Menschen zuzugehen. Davon wollen die alten und die bloß biologisch noch jungen Verbandsfunktionäre nichts wissen. Sie haben eine »Agenda«, von der sie glauben, sie sei das Licht der Welt. In Wahrheit sind sie längst ebenjenes Salz, von dem Jesus in der Bergpredigt sagte, man könne mit ihm nicht mehr salzen.
Vorstehender Text wurde am 9. Mai 2024 im Kontrafunk in der Sendung »Kontrafunk aktuell« als Tageskommentar gesendet. Die hier abgedruckte Version habe ich leicht überarbeitet.