Zum Stand der Zensur in Deutschland

Geschrieben von Uwe Jochum am 18.7.2024

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Uwe Jochum

Wissenschaftlicher Bibliothekar

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»Bemerke, daß ich einen besonderen Groll hege gegen Menschen, die Behauptungen machen, die sich dann nicht bewahrheiten, und die dabei ihre ganze Kraft, um mich zu überzeugen, aufboten. Die freche Stirn oder die Leichtfertigkeit, etwa der Propaganda, hat immer etwas, das ich zunächst ernst nehme — es fällt mir schwer zu glauben, daß nichts als der pure Wille hinter den Argumenten steckt.
Wenn dann, oft nach Jahren, die Tatsachen sprechen, verspüre ich den Stachel desto schärfer — ich sehe ein, daß ich von reinen Zuhältern, von üblen Sechsgroschenjungen der gerade aktuellen Mächte zum Besten gehalten worden bin. Diese bezahlten Lümmel hatten ihre Hure als Wahrheit aufgeputzt.
Dazu kommt ferner, daß ihnen jegliches Schamgefühl fehlt; sie kennen nur das Erröten, das den Backpfeifen folgt. Daher werden sie nun versuchen, aufs neue und in neuen Diensten zu huren, und nun vielleicht für Männer und Mächte, die man selber hochschätzt und als echte anerkennt. Das ist dann noch eine besondere Bitterkeit, wenn man diese Schufte aus reiner Opportunität das Wahre preisen hört.«

Die vorstehende Notiz könnte zeitaktueller nicht sein. Sie beschreibt die Lage, in der wir seit einigen Jahren gefangen sind und die sich rapide verschärft: daß diejenigen, die sich und uns einreden, sie seien »die vierte Gewalt«, ganz real die Schoßhündchen der herrschenden Parteien und im Extremfall deren Zuhälter sind. Die Nutte, die sie uns andrehen, ist die alte Hure »Propaganda«, die sie aufgehübscht haben mit der grünen Schminke des klimabewegten Zeitgeistes und der roten Schminke des umverteilenden Sozialismus, beides verrührt zur Paste der »gerechten Welt« und dem religiösen Parfüm der »Apokalypsenverzögerung«. Aber wehe dem, der mit dieser Hure ins Bett geht: dort blättert von ihr alles ab, und sichtbar wird, schneller als man es sich wegsaufen kann, die totalitäre Hexe, die im Nebenzimmer schon den Kessel auf das Feuer gestellt hat, in dem sie ihre Opfer sieden wird.

Es ist absehbar, daß die Straßenjungs, die um die Nutte herumschleichen, ihre sexuelle Informationsorientierung ändern werden. Die ersten Zeichen sind da: ein Interview mit jemandem von der AfD hier, ein wohlwollender Kommentar zu Alice Weidel dort, ein Witz über Joe Biden beim Wetterbericht. Die Journalisten beginnen, ihre kleinen Münzen vom einen aufs andere Konto zu verschieben, vom anthroposophisch geführten linken Bewußtseinsinstitut zur libertären rechten Volksbank ohne Environmental-Social-Governance-Larifari. Freilich: Sie müssen das unauffällig tun, um glaubwürdig zu bleiben beim großen Publikum, das ihnen bisher noch den gröbsten Unfug als Wahrheit abgekauft hat; da würde der neue Wein, der jetzt auf den Markt muß, nur unzuträgliches Kopfgrimmen verursachen; also muß es sachte gehen. Und das tut es. Man kann es überall beobachten, durchsetzt natürlich mit den üblichen Rückschlägen und verpaßten Anschlüssen. Insgesamt aber hat sich der Koloß namens Zeitgeist zu neigen begonnen, nach rechts, und jeder Millimeter, den er an Neigung gewinnt, wird die Neigebewegung beschleunigen, anfangs unmerklich, dann aber immer merklicher.

Achtzig Jahre ist es her, daß Ernst Jünger die oben zitierte Notiz in sein Tagebuch eintrug, das er während seiner Zeit als Besatzungsoffizier in Paris führte. Die Notiz stammt vom 18. Juli 1943 und findet sich gedruckt in dem Band Strahlungen, der nach dem Krieg 1949 in Tübingen bei Heliopolis erschien (in der dritten Auflage S. 361). Jünger war ein wacher Beobachter, der nicht nur das untersuchte, was ihm als vermeintlich reale Welt begegnete, die Menschen, die Tiere und Pflanzen, die Straßen und Häuser, die Flüsse und den Sand; er zählte auch die Träume und ihre Szenen und Gefühle der Realität zu, die Räusche durch Alkohol und Drogen, die Atmosphären, die von Menschen und Räumen ausstrahlten. Das alles arbeitet mit am »Zeitgeist«, also jener objektiven Realität, die wir nicht anfassen können, in die wir aber eingebettet sind mit all dem, was wir anfassen können. Und der Zeitgeist fließt nicht einfach dahin, er kennt Zeiten des sumpfigen Beinahestillstands und Epochen hektisch sich überstürzenden Tempogewinns mit unvorhersehbaren Wirbeln, an der Oberfläche und in der Tiefe.

Wenn nicht alles täuscht, hat der Zeitgeist seit Merkels Staudammbauereien an Fahrt gewonnen, dieser und jener Damm bricht gerade, andere, scheinbar fest gefügte, zeigen die ersten Risse. Und oben auf dem Damm stehen die alt gewordenen Architekten und versuchen, compacten Beton in die Risse zu gießen und unten an der Mauer den Damm durch dicke Baumstämme abzustützen. Es wird nichts nutzen. Der Damm wird brechen und seine Erbauer mit sich reißen. Wohl denen, die rechtzeitig oberhalb des Dammes gebaut haben.

Alles andere, was sonst noch zur Lage zu sagen wäre, haben inzwischen Götz Kubitschek und Michael Klonovsky gesagt.