Religio II

Das Volkstum. Viktor Ritter von Geramb
(1884–1958)

Geschrieben von Jürgen Schmid am 3.2.2025

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Jürgen Schmid

Historiker

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Folge I von Religio legte dar, warum das bodenständige Bauerntum einer frei flottierenden „Weltgesellschaft” neoliberal-woker Machart im Weg stand mit seinen — nicht zuletzt familiären — Bindungs- und Beharrungskräften. Nun muß sich unsere Bindungssuche der nächst größeren Einheit menschlicher Vergemeinschaftung zuwenden, die hier der Klarheit halber Volkstum genannt werden soll, während der Davos-Mensch nichts akzeptiert zwischen Individuum und »Menschheit« (jene »man­kind«, die der jetzt abtretende WEF-Premier Kanadas als »personkind« verballhornte), bestenfalls noch das soziologische Konstrukt »Gesellschaft«, das heute als maximal antidemokratische »Zivilgesellschaft« in regierungsfinanzierten Nicht-Regierungsorganisationen sein destruktives realpolitisches Unwesen treibt. Lebbare Gemein­schaftsmodelle finden sich jedenfalls nicht im Warenkorb der Globohomo-Sekte. Dabei existiert eines seit Jahrhunderten in großer Vielfalt und Buntheit: Völker.


Wenn in Deutschland über Österreich gesprochen wird, hat man den Eindruck, die Rede ginge um ein fremdes Ausland. Das ist in mehrfacher Hinsicht merkwürdig: 7,5 Millionen Österreicher sind genuin deutsche Muttersprachler, damit ist die Alpen­republik außerhalb Deutschlands der größte geschlossene deutsche Sprachraum. Zur Zeit des deutschen Einigungsprozesses im 19. Jahrhundert war »großdeutsch« ohne die Habsburger Monarchie undenkbar, wenn auch faktisch machbar. In der Katastrophe von 1918 war es auch für alpenländische Sozialisten selbstverständlich, die von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs zugestandene Reststaatsfläche Deutschösterreich zu nennen.

Daß es spezifische Prägungen und Bindungen gibt, die über den engen Kreis der Seßhaftigkeit auf einem bestimmten Stück Land (das Thema von Teil 1: Das Bauern­tum) hinausgehen, die man Volkszugehörigkeit nennt, sieht man immer dann am klarsten, wenn diese Zugehörigkeit, Mutige nennen sie Identität, in Frage gestellt, bedroht oder gar offiziell geleugnet und das Bekenntnis zu ihr verboten ist — man denke nur an die ethnisch-nationale Widerständigkeit der baltischen Völker zu Sowjetzeiten, welche als »singende Revolution« mittels ethnischem Volksliedgut 1991 zum Erfolg der erneuten Unabhängigkeit Estlands, Lettlands und Litauens führte.

Nach dem Untergang der Habsburger Monarchie stand die deutsche Volkszuge­hörigkeit für die Deutschösterreicher auf dem Spiel — das Versailler Diktat verbot diesem Rest-Österreich nicht nur den Anschluß an das Deutsche Reich, sondern auch den selbst gewählten Namen: Deutschösterreich.

Dabei war der amerikanische Präsident Woodrow Wilson — zu meiner Zeit war das Schulwissen — in den Ersten Weltkrieg eingetreten mit dem Versprechen, als Sieger das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« zu wahren. Joseph Roth beschreibt in seinem 1938 veröffentlichten Roman Die Kapuzinergruft die Stimmung im deutsch­sprachigen Teil des Habsburger Vielvölkerstaates vor dem Ersten Weltkrieg: »Die deutschen Studenten aus Brünn und Eger, die Zahnärzte, Apotheker, Friseurgehil­fen, Kunstphotographen aus Linz, Graz, Knittelfeld, die Kröpfe aus den Alpentälern, sie alle singen ›Die Wacht am Rhein‹.«1

Deutschösterreich [Abb. 1: Inklusive Südtirol und den geschlossen deutschen Siedlungsgebieten in Böhmen und Mähren: Von der Nationalversammlung 1918 beanspruchtes Staatsgebiet der Republik Deutschösterreich. Die rote Linie markiert das Staatsgebiet, das die Sieger­mächte 1919 der Republik Österreich (unter Verbot des ethnischen Namenszusatzes) zustanden.]

Aber nicht nur diese von Roth etwas abschätzig bedachten Vertreter deutscher Zunge zwischen Böhmen und Südtirol, Bodensee und Neusiedler See, auch Ver­treter nahezu aller parteipolitischen und weltanschaulichen Richtungen wollten in überwältigender Einigkeit eines partout sein nach der Katastrophe der Kriegsnieder­lage und des damit verbundenen Untergangs der Habsburger Monarchie: deutsch.

Karl Seitz, als Vertreter der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei einer von drei Ratspräsidenten der Provisorischen Nationalversammlung, erklärte am 5. März 1919 quasi ex cathedra: »Wir legen heute den Grundstein für ein neues Deutschösterreich. Dieses neue Deutschösterreich wird errichtet werden nach dem Willen des deutschen Volkes.«2 Doch wie in der damals neugeschaffenen Tschechoslowakischen Republik, wo sich Deutschböhmen nicht zu ihrer Volkszugehörigkeit bekennen durften, unter­sagten die Siegermächte den nachdrücklichen Wunsch der Besiegten.

Man schließt die Reihen — und erklärt sich von politisch »rechts« bis »links« zum Deutschtum,3 wie der Sozialdemokrat und Kanzler Karl Renner (2003 selbstredend in die Neue Deutsche Biographie aufgenommen), der den neuen Staat »Südostdeutsch­land« nennen wollte,4 dessen Nationalhymne »Deutschösterreich, du herrliches Land« mit ihrem Gelöbnis zum deutschen Volkstum verfaßte sowie in Artikel 2 der Verfassung unmißverständlich einrücken lassen wollte: »Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.« Viele weitere Namensvorschläge für diesen Rumpfstaat kursierten, praktisch keiner enthielt sich der ethnischen Zuschreibung: »Hochdeutschland«, »Deutsches Bergreich«, »Donau-Germanien«, »Ostdeutscher Bund«, »Deutschmark«, »Teutheim«, »Treuland«, »Deutsches Friedland«.

Ungarndeutsche, Banater Schwaben, Siebenbürger Sachsen, spätausgesiedelte Rußlanddeutsche, sie alle gelten — sogar nach Faeserrecht5 — als ethnische Deutsche, worauf Matthias Brodkorb in der bizarren Diskussion um die verfassungs­schützerische Einordnung des »ethnischen Volksbegriffs« als »rechtsextremistisch« aufmerksam gemacht hatte — man überspringt auch da heute allzu gerne Österreich.6

Staatswappen [Abb. 2: Das österreichische Staatswappen der Ersten Republik (1919–1934): Stadtmauer­krone, Hammer und Sichel beschwören den Zusammenhalt der Schichten des Volkes (Bürgertum, Arbeiterschaft, Bauernstand), wie es Viktor von Geramb auch vorschwebt.]

Und in der Alpenrepublik selbst gilt es seit längerem geradezu als unanständig, sich seines Deutschtums zu besinnen. Als die FPÖ 2011 in ein Zehn-Punkte-Programm den banalen, weil in seinem Sachgehalt selbstverständlichen und damit überflüssi­gen Satz: »Sprache, Geschichte und Kultur Österreichs sind deutsch« schrieb, brach ein Sturm der Entrüstung los. Entrüstungsführer in Österreich: Der Standard. Wenn dort getitelt wird: »Die FPÖ will Österreich deutscher machen«, muß man sich fragen, was Österreich sein sollte, wenn nicht Teil der »deutschen Sprach- und Kulturgemein­schaft«? Das »Bekenntnis« zu dieser Gemeinschaft sei »heikel«, so assistiert die Wiener Tageszeitung Die Presse, welche sich als »bürgerlich-liberal« versteht. Muß man sich zu etwas bekennen, das als Tatsache ohnehin nicht zu verleugnen oder gar rückwirkend zu ändern ist? Wieso sollte man Tatsachen heikel finden?

Wenn sich die FPÖ — einer der Redakteure des Programms war Herbert Kickl — 2011 als Interessenvertretung für »alle Altösterreicher deutscher Muttersprache aus dem Bereich der ehemaligen k.u.k. Monarchie« versteht, knüpft sie damit an sozialdemo­kratisches Staatsverständnis einer Republik an, die sich nach Ende des Ersten Welt­krieges »Deutschösterreich« nannte und sich als Staatsgebiet für alle Österreicher deutscher Muttersprache verstand, bevor im Vertrag von Trianon gegen das Selbst­bestimmungsrecht der Völker ein Rest-Österreich dekretiert wurde — unter Abtren­nung Südtirols zugunsten Italiens sowie Abtretung der deutschsprachigen Gebiete Böhmens an die Tschechoslowakei.

Volkstum und Heimat — wiedergefunden

Bucheinband [Abb. 3: Von Geramb: Von Volkstum und Heimat. Einband.]

Viktor von Gerambs Programmschrift Von Volkstum und Heimat,7 fand sich vor zwei Jahren auf dem Flohmarkt in München-Laim, nachdem sie der Vorbesitzer ebenso achtlos entsorgt hatte, wie eine alternativlose Regierungschefin das Hoheits­zeichen des Landes, das sie im Range der höchsten Instanz eines Verfassungs­organs, der Bundesregierung, repräsentiert, weggeworfen hat, wobei dem Hoheits­zeichen dem Vernehmen nach nicht die Rückkehr in das ihm angestammte Leben zuteil wurde wie dem Buch von Gerambs, das der Verfasser dieser Zeilen aus dem Besitz eines Griechen, der es aufgelesen hatte, für kleinstes Geld8 auf die Aufforde­rung »komm, nimm mit« hin erwerben, lesen und hier präsentieren konnte.

Titelblatt [Abb. 4: Von Geramb: Von Volkstum und Heimat. Titelblatt.]

Darin eine Widmung des Autors9 — erster Lehrstuhlinhaber für Volkskunde im deutsch­sprachigen Raum, Biograph des ersten Volkskundlers überhaupt, Wilhelm Heinrich Riehl — für Georg Hager (1863–1941), einem Riehl-Schüler, Leiter des Bayerischen Nationalmuseums, Gründungsdirektor des Generalkonservatoriums der Kunstdenk­male und Altertümer Bayerns (heute: Landesamt für Denkmalpflege).

Widmung [Abb. 5: Von Geramb: Von Volkstum und Heimat. Widmung.]

Das Buch — ein Zeitdokument allererster Güte bezüglich Inhalt und Dingbiographie — stand laut weiterem Vermerk auf dem fliegenden Blatt in der Bibliothek von Luisa Hager, die den Eintrag »Georg Hager« über ihren Vater in der Neuen Deutschen Biographie verfaßt hat.

Wer ist Viktor von Geramb?

Viktor Ritter von Geramb10 ist der Sohn eines k.k. Statthalters gleichen Namens, ein gebürtiger Steirer, Jahrgang 1884, dem seine steiermärkische Heimat — er stammt aus Deutschlandsberg — zum Dreh- und Angelpunkt allen Denkens und Forschens wurde. Seine Zugehörigkeit zum deutschen Kulturraum wird bereits durch seine Aufnahme in die Neue Deutsche Biographie im Jahr 1964 bezeugt.

Volkskunde kann der spätere Doyen der österreichischen Volkskunde nicht studie­ren, weil es diese Disziplin im universitären Fächerkanon seiner Zeit noch nicht gibt. Mit einer grundsoliden Ausbildung in Germanistik, Geographie und Geschichte aber, die er mit einer Dissertation über Die Grenze zwischen Österreich und Ungarn in ihrer historischen Entwicklung (1907) abschließt, ist von Geramb befähigt, seinen Neigungen zu folgen: das Volkstum seiner Heimat zu erforschen. Seine frühesten Publikationen kreisen um »Aberglauben«, »Fasching«, »Bauernregeln«, es kommen gewichtige Studien über Tracht hinzu; der große Überblick Das Bauernhaus in Steiermark lenkt des Forschers Blick auf die heimatliche Architektur in ihren vielfältigen Funktionen für das bäuerliche Leben — ein Thema, das ihn nie wieder loslassen sollte. Jeder, der über einen internetfähigen Computer verfügt, kann sich von dieser Arbeit selbst ein Bild machen, wie auch eine Bibliographie sämtlicher von Geram’scher Schriften digitalisiert vorliegt.

29jährig findet Viktor von Geramb seine berufliche Heimat — besser gesagt: er erfindet sie, als er am Vorabend des großen Weltenbrandes, 1913, im Steirischen Landesmuseum Joanneum zu Graz eine volkskundliche Abteilung gründet, der er bis ins Jahr 1949, zwei Weltkriege überspannend, vorstehen sollte. 1931 erhält der Museumsmann einen Ruf als Professor für Volkskunde an der Universität Graz, die erste volkskundliche Professur im deutschsprachigen Raum überhaupt — zunächst als »außerordentlich« eingestuft und damit unhonoriert.

Deutschnational, das ist von Geramb ohne jeden Zweifel, allerdings sehr stark dem Reichsgedanken verpflichtet, der damals schon (und heute erst recht) als undenkbar gilt. Nationalsozialistischen Rassentheorien steht er fern, ja er lehnt sie ab.11 Trotz durchaus positiver Einstellung zum »Anschluß« Österreichs an das Deutsche Reich gerät von Geramb schnell in Differenzen mit den neuen Machthabern, wie ein Brief an den steirischen Landsmann, Freund und Dichter Max Mell vom April 1939 belegt: »Der Stimmungsumschwung hier bekommt mir schlecht: Wenn ich Dir sage, daß meine gesamte Lehrtätigkeit (hier, auf d.[er] Univ.[ersität] u.[nd] in S.[ankt] Martin) lahmgelegt, daß zum Verbot d.[er] Krippenlieder nun auch das des Mandlkalenders! gekommen ist — so kannst Du Dir vorstellen, wie mir zumute ist: ich soll einen Beruf ausüben, aus dem man alles entfernt, was ihm Seele, Kern und Wesenheit war.«12

Bauernkalender [Abb. 6: Unerwünscht in manchen Zeiten: Traditioneller Bauernkalender, seit dem 18. Jahr­hundert in Graz gedruckt und für die analphabetischen Bevölkerungsteile sprechend illustriert mit allem, was der Landmann wissen möchte: Tagesheilige, Wettervorher­sage nach den Bauernregeln, jahreszeitliche bedingte Arbeiten in Feld und Stall.]

Bald entzieht das Regime Viktor von Geramb seine Professur, nachdem ihm »fehlen­de weltanschauliche Klarheit« attestiert wurde — als Problem gilt seine Katholizität13 und damit eine linienuntreue Bindung an ein christlich fundiertes Ethos. Der deutsche Volkskundler und Bibliothekar Otto Basler bescheinigt von Geramb, »trotz schweren Bedrängnissen seit 1933« ein »liebenswürdige[r]« und »volksverbundene[r] Mensch« geblieben zu sein, während andere Fachgenossen und interessierte Kreise später versuchen, ihn in den Schwefelgeruch einer »völkischen Wissenschaft« zu ziehen. Die Stadt Graz gedenkt ihrem Ehrenbürger heute noch als einen »Wahrer und Schützer des ›Echten‹ im Kampf gegen Kitsch und geschäftstüchtigen Schund«.

Deutsches Volkstum am Scheideweg

Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete für die Menschen in den Nationen der Mittelmächte — Deutschland, Österreich-Ungarn, Türkei, Bulgarien, das im Oktober 1915 zu den Mittelmächten hinzutrat14 — eine Erleichterung insofern, als das Sterben auf den Schlachtfeldern nach mehr als vier Jahren ein Ende hatte. Ansonsten verursachten die Folgen der Niederlage in allen diesen Staaten, die sich aus den Konkursmassen untergehender Reiche erst bilden mußten, eine unfaßbare Kata­strophe. Nicht nur staatsrechtlich war jede Rückbindung an das, was man kannte, plötzlich abgeschnitten, auch jeder Einzelne mußte auf den Trümmern des Krieges, mit seinen Traumata, im Chaos des Ungewissen und angesichts schierer materieller Not, mit der Erkenntnis zurande kommen, daß die Welt nicht mehr so war, wie man sie vor dem Krieg gekannt hatte. Wie stark die Erschütterung in Österreich war, zeigt Joseph Roths Roman Die Kapuzinergruft. Wie ein bestimmtes Milieu in Österreich, das dem Deutschtum zugeneigt war, sich neu zu erfinden gedachte, soll am Beispiel des Volkskundlers und Heimatschützers Viktor von Geramb gezeigt werden.

Von Gerambs Buch Von Volkstum und Heimat, gewidmet »Der deutschen Jugend in Glauben und Hoffnung«, ist keine in sich geschlossene Darstellung, sondern vereint Vorträge und Aufsätze der Jahre zwischen 1913 und 1919, zu »Selbstbesinnung, Trost und Aufmunterung« in schweren Tagen, wie es im Vorwort der ersten Auflage heißt,15 in der zweiten Auflage ergänzt bis 1922.

»Vom deutschen Wesen«

In diesem für unsere Betrachtung entscheidenden Kapitel,16 dem ein 1918 »in steirischen und oberösterreichischen Städten gehaltene[r] Vortrag« zu Grunde liegt, sucht man eine kategorisierte Definition dieses Wesens vergeblich, was allen, die zwanghaft nach dem protofaschistischen »Keim« (Hellmuth Karasek) in solchen Schriften fahnden müssen, ihre Zersetzungsarbeit nicht leicht macht.

»Was ist deutsch?« Diese Frage beantwortet Viktor von Geramb aus der Etymologie, wenn er das althochdeutsche »diutisk« mit »völkisch = volksmäßig, der Art des Volkes entsprechend« wiedergeben will17 und im Konkreteren mit seinem Gewährsmann Jo­hann Gottlieb Fichte, aus dessen Reden an die deutsche Nation von 1808 er zitiert: »Deutsch sein heißt volkstümlich sein«.18

»Volksmäßig denken«; jene Tugend, die Fichte empfiehlt, sei »den Gebildeten« ab­handen gekommen; jener Stand würde »bis in die Seele hinein kranken«, an »Volks­fremde[m], diese[m] Unvolkstümlichen«, was »im buchstäblichen Sinne Undeutsch-sein« bedeute. »Abstandnehmen vom gemeinen Volk«, »Sich-unverständlich-machen«, das seien Krankheiten »unsere[r] Professoren und noch mehr unsere[r] Journalisten«, auch der »Dichter und Schriftsteller«, »diese[s] Sich-schämen, für volksgleich gehalten zu werden«, was zu einem »naserümpfenden Sich-abschließen vom Bauern- und Arbeiterstand« führe.19

Auch dies treibt von Geramb um: »die oft wirklich ›komische‹ Angst so vieler Gebil­deter vor dem Gebrauche der Mundart«.20 Dabei finden sich in den Dialekten »die wahrhaften lebendigen Äußerungen der wirklichen Muttersprache«, nicht in der ge­sprochenen »Schriftsprache«, die ja nicht umsonst so heiße. »Jede Stammeswesen­heit im deutschen Volkstum hat ihre eigene Sprache«21 — 1919 galt das uneinge­schränkt, 1925 konnte ein großer Dramatiker wie Carl Zuckmayer es sich nicht nur leisten, den rheinischen Singsang seiner Heimat im Fröhlichen Weinberg auf die Bühne zu bringen, er hatte mit dem, was er »aus der Sinnenfülle einer Landschaft gewonnen« hatte, durchschlagenden Erfolg. Heute sind die Verlustmeldungen bei der Mundart leider ebenso wenig mehr aufzuhalten wie handfeste Diskriminierungen von Dialektsprechern.

»Viele nationale Politiker« würden das »Heil« darin sehen, »daß das ganze deutsche Volkstum nicht nur politisch, sondern auch in seinem Wesen immer mehr und mehr vereinheitlicht, immer mehr und mehr zu einer gleichgehobelten, geschlossenen Masse zusammengeschweißt werden solle«. Und diese Idee wäre »grundfalsch«. Denn »in der Mannigfaltigkeit« liege die »Gesundheit des deutschen Volkskörpers« begründet. So müsse man die Nation bauen: »Nach außen einheitlich und geschlos­sen, im Inneren aber ein blühender Garten, voll des reichsten, mannigfaltigsten Hei­matlebens; nur so kann ich mir eine gesunde Zukunft unseres Volkstums denken.«22

Vor »Gleichmachung« warnt von Geramb ausdrücklich, sie wäre »eine große Verarmung und ein Raub am Volksgut«. »Echte Steirer«, »echte Kärnter«, »echte Preußen«, »echte Sachsen« — sie, und nur sie können dem »gesamten großen Volkskörper immer wieder von allen Seiten frische Blut- und Lebensquellen zuleiten«; ohne diese bunte und vielfältige Vitalität in gemeinsamem Deutschtum würde das Volk eine ebenso »graue, internationale, charakterlose Masse« wie das Bevölke­rungsgemisch in den USA, »und davor bewahre uns der Herr!«, so von Geramb.23

Sitte und Brauch [Abb. 7: Von Geramb: Sitte und Brauch in Österreich. Buchumschlag.]

Eine weitere große Gefahr sei, »daß das deutsche Gemüt durch lauter ›Import‹ zugrunde gerichtet werde«, denn dieses Gemüt vertrage sich nicht, so sagt es Geramb 1919, mit »anglo-amerikanischem Krämergeist und Mammonismus«, »semitischem Feilscher- und Pharisäergeist und Spekulantentum« und »pariserischem Raffinement«.24 Nun endlich hat der Keimdetektor etwas gefunden, an dem er sich ergötzen kann, indem er dem Autor unterstellt, er betreibe nichts anderes als »anti­semitisch und antiamerikanisch aufgeladene Zivilisationskritik« mit dem Feindbild »kapitalistische Moderne«.25

»Volk« im Allgemeinen schließlich, unabhängig von seiner konkreten Existenz als bestimmte Ethnie, das sind für Viktor von Geramb — wie er in einer Schrift von 1946 mit Genehmigung des »Military Government« der amerikanischen Besatzungstruppen in Österreich äußert — »jene möglichst ursprünglichen und bodenständigen Kreise einer gesamten Nation, die die moderne Volkskunde ›urverbunden‹ nennt. Damit ist weniger ein bestimmter Stand, als vielmehr ein seelisch-geistiger Zustand gemeint.«26

Märchen [Abb. 8: Von Geramb: Kinder und Hausmärchen aus der Steiermark. Buchumschlag.]

Fast naturgemäß (Thomas Bernhard) meldet sich an dieser Stelle erneut der mora­lische Zeigefinger des besserwissend Mäkelnden: »Den ›Herzschlag des deutschen Volkes‹ vernehme[n]«, dazu wäre nur der »Romantiker Geramb in seiner ›Urverbun­denheit‹27 scheinbar imstande«, diese »Emotionalität« aber wäre unwissenschaftlich.28

Leopold Kretzenbacher, ein steirischer Landsmann und Schüler von Gerambs, der die Münchner Volkskunde in den 1970er Jahren zu unglaublichen Höhen führen sollte, sieht dies deutlich anders: »Geramb, der ›Volk‹ genau so wenig wie wir definieren konnte, hat uns jungen Menschen gezeigt, daß man das unmittelbar als Realität ›erleben‹ kann! Hier aber liegt das Emotionale, das jene erstaunliche Kraft hatte, geistig eine ganze Generation zu bewegen, ›Volkskunde‹ […] tatsächlich zu einem ›Kulturprägefaktor‹ werden zu lassen.«29 Wie hat die Geramb’sche Volkskunde die Kultur geprägt? Wir schreiten fort in dessen Gedankenwelt …

»Von der bäuerlichen Seele des deutschen Volkstums«

Was Viktor von Geramb zum Bauerntum zu sagen hat, atmet den Geist dessen, was wir in Folge I von Religio bei Wilhelm Stapel kennengelernt haben, mit dem der Österreicher in Kontakt stand. Beide eint ihr Bestreben, die Entfremdung zwischen den Welten zu überwinden durch Wissen voneinander und Zugehörigkeitsgefühl in einem Volk füreinender; der Versuch, einen Zustand zu heilen, in dem »dem Städter das Bauerntum zu einer fremden Welt geworden« ist.30

Die »Seele des Bauerntums«, das ist das ceterum censeo von Geramb, kann nur in »gründliche[r] volkskundliche[r] Arbeit« erfaßt werden, gestützt nicht nur auf »›papie­rene‹ Quellen allein«, sondern studiert »im Volke selbst«; nicht nur erfaßt »mit dem Verstand«: »Es muß das Herz und die Seele mitreden bei dieser Arbeit«.31 Er zitiert Peter Rosegger, der in einem Beitrag »Volk« in der Zeitschrift Heimgarten 1891 geschrieben hat: »Das Volk ist keine Bildergalerie, in welcher man sich nur gleich so hineinstellen kann vor die Gemälde und sie kritisieren. […] Man muß den Bauern kennenlernen als Pfarrer und Lehrer […], man muß mit ihm eine Taufe und eine Hochzeit, eine Bestattung, einen Hausbau, eine Feuersbrunst durchgemacht haben, muß ein Weihnachten, ein Ostern, eine Kirchweih mit ihm gelebt haben — kurz, man muß ihm in allen seinen Gestalten und Bewegungen gefolgt sein, um ihn messen zu können.«32

Diese Worte lesen sich wie eine Anleitung zu dem, was der große schlesische Volkskundler Will-Erich Peuckert aus eigenem Antrieb als Schullehrer auf dem Hohen Iser, in einem abgelegenen Bauerndorf, in der Begegnung mit dem Volk in sich aufgesogen hat, wo er zum Volkskundler in der tiefst möglichen Bedeutung dieses Wortes gereift ist. Peuckert hat sich nicht in seine Studierstube eingeschlos­sen, wie es von Geramb für viele Lehrer seiner Zeit auf dem Dorfe schildert und beklagt. Und von Geramb, der die Rosegger’sche Mahnung für sich Ernst nimmt, versucht mit seinen Mitteln, dem Unwissen über das Bauerntum Abhilfe zu schaffen — als Volksbildner.

Wie in dem zitierten Brief an Max Mell angedeutet, unterrichtet Viktor von Geramb nicht nur an der Universität, sondern auch (und vielleicht vor allem, auch darin seinem Vorbild Wilhelm Heinrich Riehl nacheifernd) im Volk selbst, im von einem katholischen Geistlichen geführten Bildungsheim im Schloß St. Martin bei Graz. Dieses Zentrum der bäuerlichen Volksbildungsbewegung hat sich zum Ziel gesetzt, »den geistigen Eliten auf dem Dorf — also primär den als Multiplikatoren wirkenden Landvolksschullehrern, den Geistlichen, aber auch den höheren Gemeindebeamten sowie Buch- und Kassenführern der Raiffeisenkassen — eine Einführung in ›die praktische bäuerliche Volkskunde und in die psychologische und pädagogische Behandlungsweise der bäuerlichen Bevölkerung zu vermitteln‹.«33

Volkskunde als Bindemittel des Volkes — so verstanden noch zu den Zeiten, als Pädagogische Hochschulen in der Lehrerbildung wie selbstverständlich volkskund­liches Wissen an künftige Volksschullehrer vermittelten; so verstanden auch noch (in nun deutlich rudimentärerer Form), nachdem die Lehrerausbildung in den 1970er Jahren auch für Grund- und Hauptschule vollakademisiert an die Universitäten über­siedelt war, an der Münchner LMU — also an Kretzenbachers ehemaligem Lehrstuhl — durch Rainer Wehse noch bis zu dessen Pensionierung 2006. Seither ist dieser fruchtbare Strang eines Kulturprägefaktors abgeschnitten, den Klaus Roth in München stets hochhielt: Für ihn war die akademische Volkskunde keine Disziplin, die sich unmittelbar ans Volk wendet, sondern Mediatoren und Multiplikatoren, also Lehrer, ausbildet, die volkskundliches Denken und Wissen unters Volk bringen.34 Der sozialistische Kulturkampf hat auch hier, bei der Beendigung einer Volkskunde als Kulturprägefaktor für und nicht gegen das Volk, mit seinem Zerstörungswerk ganze Arbeit geleistet.

»Die nationale Bewegung und die Volkskunde«

Das Eigene wirklich aneignen kann man nur im Wandern, davon ist der Wanderer Viktor von Geramb überzeugt — nicht als »Sport« verstanden, sondern als »Kunst des seelenerquickenden, herzerfreuenden, geiststählenden Wanderns«. »Diese Art der Volkskunde steht allen offen.«

»Wem’s ernst ist mit dem nationalen Gedanken, der muß sich [auf Riehls Spuren] die vorurteilslose, herzenstiefe Kenntnis aller Schichten seines Volkes, im Bauern­haus und in der Arbeiterwohnung, auf Universitäten und in Schlössern,35 in Fabriken und in Klöstern und Pfarrhöfen, ja auch in Kranken- und Armenhäusern — erwandern. […] Dann werden die saftlosen und so manchesmal ungerechtfertigten Phrasen wie dürre Blätter abfallen«.36

Unersetzlich für alle, die das Volk verstehen wollen, ist die »Begegnung mit dem Volk«, wie es der große Wanderer Leopold Kretzenbacher geradezu als Definition seines Faches formuliert. Die eigene Anschauung beginnt mit dem Aufsuchen derer, über die man spricht und schreibt (und oftmals räsoniert), einem buchstäblichen Hingehen, einem Sich-auf-machen, als Grundlage jeden wirklichen Verstehens.37

Hochachtung nach unten, das ist es, was eine Volkskunde von Riehl bis von Geramb predigt, statt Verachtung nach unten; von Geramb ahmt jedenfalls auch darin Riehl nach, daß er den Sinn der Volkskunde in der Schaffung und Erhaltung einer gemeinschaftlichen, klassen- und schichtenvereinenden Nation sieht: Vereinen statt Spalten, wie es heute praktiziert wird von einer enthemmt woken Volkskunde bzw. deren Nachfolgefächer, deren Fachvertreter zu Prototypen für Verächter nach unten mutiert sind.

Feldstudien [Abb. 9: Der Volkskundler Viktor von Geramb inmitten seiner Schüler bei Feldstudien, um 1950.]

»Der Gegenstand der Gerambschen Volkskunde«, wie ihn sein Schüler, der spätere ÖVP-Politiker Hanns Koren (»Heimat ist Tiefe, nicht Enge«) schildert, »war noch die konkrete, lebhafte, von lebendigen Menschen, jungen und alten, getragene Welt der Überlieferungen, der auf einsamen Bergwanderungen und nicht allzu weit von den größeren Orten entfernt immer wieder neu zu entdeckende, das ganze Menschen­leben erfassende, ordnende, erfüllende, bekränzende Überlieferungskreis, in dem sich noch alles zusammenfassend, in talweisen Verschiedenheiten gegliedert, Sitten und Riten um Geburt, Hochzeit und Tod, die Feste des Jahres, die Stationen des einzelnen Menschenschicksals, Lebenslust und Frömmigkeit, alles, was dem in die Gnade und Gewalt der Natur ergebenen Menschen beschieden auferlegt und mög­lich war. Auch die Arbeit gehörte dazu im Rhythmus der Jahreszeiten, das Gerät zur Arbeit, die Nahrung, die Viehhaltung — der ganze Mikrokosmos des in den Gesetzen seiner überlieferten Ordnung lebenden Menschenraumes: der Siedlung, des Dorfes, der Pfarre, des Weilers und des Hofes. Es war die lebendige Germania des Tacitus.«38

»Der Heimatgedanke im Neuaufbau unseres Staates«

Im »Wirrwarr« und »Zusammenbruch um Allerseelen 1918« ortet von Geramb einen »stillen und treuen Bundesgenossen«, der »Rettung aus schlimmstem Unheil« ermög­licht: den Zug nach der Heimat, der die Soldaten, welche plötzlich ohne Heer und Befehl sind, in kürzester Zeit heimleitet.39 Edgar Reitz’ Epos Heimat, Bezugspunkt der Religio-Betrachtungen in Folge IV, beginnt so: »9. Mai 1919, ein Freitag. Paul Simon kam aus dem Weltkrieg zurück. Sechs Tage war er aus Frankreich in den Hunsrück gelaufen.«

Im »Zusammenbrechen der für unzerstörbar gehaltenen Grundmauern« zeigte sich die »Heilkraft der Heimat«.40 Solches gilt aber nur, solange die Landschaft heimatlich ist, sprich: intakt: »Die Landschaft gibt den bestimmenden Grundton an in all der Summe von Gefühlen, die in unserer Seele das Heimatempfinden ausmachen.«41 (Was es heißt, wenn die Landschaft »keine Antwort gibt«, ist bei Will-Erich Peuckert nachzulesen.) Zur Landschaft gehören Dörfer und Städte, die — um heimatlich zu bleiben — nicht »ihr Gepräge verlieren« dürfen.42 Was es heißt, wenn Städte ihr Ge­sicht verlieren, kann in deutschen Städten der grünen Gegenwart täglich besichtigt werden, man muß dort ein Straßenbild erleiden, als wäre man in Bagdad oder Nai­robi; schon lange vor der Migrationskatastrophe haben sich fast alle ortsansässigen Geschäftsleute zurückgezogen und das Feld (inter)nationalen Ketten überlassen.

Grundsätzlich ist die Verstädterung selbst vieler Dörfer ein Menetekel: »Heute leben in Deutschland fast 80 Prozent der Menschen in dicht und mittelstark besiedelten Gebieten.« Damit ist bereits festgestellt, daß Land und Landschaft ihr Gepräge komplett verloren haben, wenn wir auf eine Totalverstädterung zusteuern (in der Schweiz spricht man von Agglomerationen), wozu progressiven Identitätsstiftern nicht mehr einfällt, als daß diese Städte »digital« sein sollen und daß in ihnen die »Identifikation mit der Veränderung« gestärkt werden müsse — »Veränderung schafft Halt« hat die progressivste Partei im Wahlkampf reichlich orwellesk plakatiert.

Bekenntnis zum Volkstum — situativ, defensiv, allgemeingültig

Als Kernanliegen von Viktor von Gerambs Denkschrift Von Volkstum und Heimat (1919/1922) dürfen wir zweierlei Forderungen festhalten: Das Volkstümliche ist stets zu wahren und zu stärken in allen Schichten — keine Elite darf sich jemals entfremden vom Volk. Mittel zur Erreichung dieses Ideals ist eine richtig verstandene Volkskunde als verbindendes Element zwischen den Schichten — ein Fundus, der Beamte und Lehrer befähigt, das Volk zu kennen, bevor sie es belehren und über es entscheiden.

Von Volkstum und Heimat zeigt in der österreichischen Katastrophe von 1918 beispielhaft, wie situativ, defensiv und allgemeingültig die Versuche waren und sind, das Eigene zu bewahren, Volkstum, das in deutschen Landen eben deutsches Volks­tum ist, zu verteidigen gegen Angriffe und Auflösungstendenzen: 1804 ff. während der »Franzosenzeit« in deutschen Landen, 1918 ff. in Klein-Österreich, und in unserer Gegenwart, in der ein Vizekanzler amtiert und nun gar »Bündniskanzler« werden will, der Vaterlandsliebe »zum Kotzen« findet,43 was ein Correctiv-Faktencheck als authen­tisches Zitat bestätigte.

Situativer Nationalismus in akuter Bedrohung

Nationalismus und starker Bezug zum eigenen Volkstum erwachsen (oft) aus einer Situation akuter Bedrohung, als eine Art Notwehr-Nationalismus gegen äußere Feinde und / oder Bedrohung aus dem Inneren (Bündniskanzler). Von Geramb bezieht sich in seinen Volks- und Deutschtumsbemühungen 1919 ausdrücklich auf Fichtes Reden an die deutsche Nation,44 worin sich der »Zauber des Eigenen« entfaltet, und damit auf die (auch geistigen) Kämpfe der Franzosenzeit. Es sind Katastrophenszenarien und Ernstfälle, an denen sich das Volkstum bewähren muß, für nicht wenige überhaupt erst Relevanz gewinnt.

Defensiver Kampf gegen reale Existenzgefährdung

Viel vom Beharren auf dem Eigenen, wenn nicht das meiste, waren immer schon und sind es auch in der gegenwärtigen Lage: defensive Forderungen und Abwehr gegen akute Existenzgefährdung. Man verteidigt sich gegen Angriffe, gegen den drohenden Untergang, man greift nicht an (»Grenzer« nennt von Geramb die Bewohner der »Süd­mark«, die sich gegen slawische Begehrlichkeiten zu verteidigen haben45). Niemand im rechten Milieu Deutschlands und Österreichs will eine nationale Aggression gegen irgendwen — unfreiwillig und unfaßbar ungelenk, aber immerhin, gibt dies das Hetz-Portal t-online in seinem Schmähartikel über Herbert Kickl zu, dem als möglichem österreichischen Kanzler attestiert wird, er wolle »keine anderen Länder unterjochen«.

Allgemeingültige Vorstellungen von Volkstum — inklusiv nach innen

Nicht nur bei von Gerambs Volks- und Deutschtumsbegriff handelt es sich um allgemein­gültige Vorstellungen von Volkstum, die eben von einem Deutschen am Beispiel des Eigenen, des Deutschtums vorgetragen und präzisiert werden, aber ebenso für alle anderen Völker Gültigkeit besitzen, mithin nicht exklusiv zu verstehen sind, sondern inklusiv. Volkstum, in diesem Sinne verstanden, ist nicht ausgreifend, nicht expansiv, nicht weltbeglückend, sondern wie es im Lied der Deutschen, erste Strophe, heißt: »über alles« für den, der sich dazu bekennt. Damit ist die Liebe zum eigenen Volk naturgemäß etwas universell Gültiges, im Sinne von: »Und das Liebste mag's uns scheinen« — unser Land, »so wie andern Völkern ihrs«, exemplarisch vorgebracht am Deutschtum, wenn man Deutscher ist; wo beispielsweise Serben fragen, was sie für Europa tun können, wäre die Antwort: Serben bleiben! (In diesem Sinne verstand von Geramb auch sein Fach, die Volkskunde.)

Inklusiv nach innen, das heißt bei von Geramb nicht nur: ethnisch und kulturell bei sich bleiben, sondern und vor allem — das zieht sich wie ein basso continuo durch alle Vorträge und Aufsätze des Volkskundlers — sich als Volk durch alle Schichten zusammenschließen und nicht nebeneinander stehen, ohne voneinander zu wissen. Viktor von Geramb appelliert fast inbrünstig an seine Standesgenossen, bürgerlich-urbane Eliten, sich nicht vom Volkstümlichen und damit von der breiten Masse des Volkes abzuwenden, zu distanzieren, auf das Volk naserümpfend herabzublicken.

Selbstverständlichkeiten

Daß es Gebiete mit kulturell und ethnisch geschlossenen Volksgruppen gibt, war in der Zeit, in der Viktor von Geramb schrieb, so selbstverständlich, daß er diese Tat­sache gar nicht weiter ausführen mußte. Daß es Gehirnwindungen geben könnte, die »Besiedlungsräume« mit »bunter« »Bevölkerungs«-Zusammensetzung nicht nur denken, sondern auch tatsächlich planen und diesen Sozialingenieuren auch noch eine politische Machtposition gewährt wird, in der diese Wahngebilde zum Schaden aller umgesetzt würden, daß die politische Minimalforderung, als Volk überleben zu wollen, als staatsgefährend gelten würde in einem Staat, der kein Volk mehr kennt, sondern nur noch eine ominose Bevölkerung — das alles war lange außerhalb jeder Vorstellungsfähigkeit, aber zu Beginn des Jahres 2025 immerhin bei allzu vielen derart als »Neue Normalität« akzeptiert, daß diese sich nicht vorstellen konnten, was für eine Befreiung (nach antideutschen Geschmackstendenzen: Provokation) es sein würde, wenn ein amerikanischer Unternehmer mit Vorliebe für politische Alternativen in Deutschland schlicht allgemeingültige Normalitäten formulieren würde: »Bewahrt die deutsche Kultur und schützt das deutsche Volk«, kämpft gegen die Schaffung eines Einheitsbreis namens »Multikulturalismus«, »der alles verwässert«.

EU-Wahlkampf 2019 — Ein Tisch ist ein Tisch46

Jahrzehntelang lag mir (fast) nichts ferner, als mich über mein Deutschsein zu defi­nieren. Dabei bin ich vom Tag meiner Geburt anno 1968: »Deutscher«. So stand und steht’s im Paß: »Staatsangehörigkeit: Deutsch«. Meine Muttersprache war und ist und bleibt, naturgemäß: Deutsch. Ich lebe in München, Deutschland.

Deutscher Staatsbürger zu sein war mir stets — nichts weiter als eine banale Tat­sache, so banal, daß sie niemals verbalisiert werden mußte, so wie kein Mensch alle fünf Minuten sagt: »Ich sitze an einem Tisch«, wenn er an einem Tisch sitzt.

In meinem Selbstbild war mein Deutschsein schlicht keine Kategorie. Aber an dem Tag, an dem Irgendwer glaubt, mir vorschreiben zu müssen, ich möge mich jetzt und fürderhin gefälligst nicht mehr als »Deutscher« betrachten, sondern als »EUropäer« — an diesem Tage fange ich an zu sagen: »Ich bin ein Deutscher«.

Grundgedanken [Abb. 10: Grundgedanken der Demokratie.]

Volksseele

Tschechisch

Ich lese in Václav Havels Memoiren, wie er seine Rolle als »Vorreiter der tschechischen Expräsidentschaft« erfinden mußte: »Hatten wir doch niemals einen Präsi­denten, der einfach so normal sein Mandat beendet hätte! Masaryk trat vor dem Ende wegen seines Alters und schlechten Gesundheitszustandes zurück und verlebte den kurzen Rest seines Lebens in Lány als Nationalheiliger. Beneš trat zweimal zurück, ein Mandat zu Ende zu bringen war ihm nie vergönnt. Hácha wurde hinweggefegt und starb im Gefängnis (er war übrigens unser einziger Präsident, der nach der Präsidentschaft im Gefängnis war, häufiger war es umgekehrt). Gottwald starb im Amt. Zápotocký auch. Novotný musste sein Amt vorzeitig und ein wenig schmählich aufgeben. Svoboda wurde wegen Krankheit des Amtes enthoben. Husák verließ es vorzeitig und in Schande, wie jemand, der sein Spiel verloren hat. Wir sind also an regulär ihr Amt beendende Präsi­denten nicht gewöhnt und wissen nicht so recht, was wir mit so einem machen sollen.«

Jeder Tscheche wäre fähig, aus den Miniaturen dieser Präsidenschaftstragödien ganze Romane zu schöpfen. Wohingegen bereits der deutsche Nachbar kaum eine von Havels Andeutungen versteht, von einem Nicht-Europäer ganz zu schweigen. Gemeinsame Erinnerungen als wesentlicher Teil dessen, was man Volksseele nennt.

Estnisch

Sonntag Nachmittag auf Hiumaa. Der Strand von Kelaste flirrt in subtropischer Hitze. Kein Mensch weit und breit, als ein Motorradfahrer in voller Lederkluft auftaucht. Helm ab — und erstaunter Blick auf uns, als ob wir seltene Insekten wären. Wo wir herkommen? Aus Deutschland. Was wir hier machen? Urlaub. Dafür ernten wir Unverständnis. Einer­seits. Und Freude darüber, daß wir uns sein Land anschauen: Dann seien wir ja quasi Botschafter. Ob er wolle, daß mehr Touristen nach Estland kommen? Die Antwort, klar und trocken: Nein. Wir beruhigen ihn: Estland werde nie ein Reiseland der Deutschen werden: Keine großen Hotels, keine Strandpromenaden, kein Nachtleben. Erleichterung. Er erzählt, wie verrückt die Esten danach seien, ihr eigenes Land zu entdecken. Fast jeder hat ein Häuschen irgendwo, am liebsten tief verborgen in den Wäldern. Ruhe, Einsamkeit, Pilze und Beeren sammeln. Die deutschen Gäste sind irritiert, zeigen auf den jungfräu­lichen Sandstrand: Aber ihr Esten habt doch tausende Kilometer Meeresküste — ist das nicht toll? Der Este blickt nachdenklich aufs Meer, als hätte er es noch nie gesehen — um sich fast angewidert abzuwenden: Nein. Wir sind ein Wald-Volk. (We are a forest nation.)

Isländisch

Sira Jon [Pfarrer am Gletscher] wörtlich: »Bei Diskussionen in der Schule wurde manchmal die Frage gestellt, ob es nicht außerhalb der Macht Gottes läge, einen so schweren Stein zu schaffen, daß Gott ihn nicht heben kann. Oft scheint mir, mit der Allmacht Gottes verhält es sich so wie mit einer Schneeammer, gegen die sich alle Wetter verschworen haben. So ein Vogel wiegt nicht mehr als eine Briefmarke. Dennoch wird er nicht hinweg­geweht, wenn er bei schwerem Sturm auf freiem Felde steht. Haben Sie jemals den Kopf einer Schneeammer gesehen? Sie hält diesen zarten Kopf dem Unwetter entgegen, den Schnabel zur Erde, legt die Flügel fest an die Seiten, der Schwanz zeigt nach oben. Der Sturm kann den Vogel nicht packen, sondern er muß sich spalten. Selbst in den schlimms­ten Böen schwankt der Vogel nicht. Wo er steht, ist Windstille. Nicht einmal eine Feder an seinem Körper bewegt sich.«

Vebi [Vertreter des Bischofs]: »Woher wissen Sie, daß der Vogel die Allmacht ist und nicht der Wind?«

Sira Jon: »Weil ein Wintersturm die stärkste Kraft in Island ist, die Schneeammer aber der schwächlichste von allen Einfällen Gottes.«
(aus: Halldór Laxness: Kristnihald undir Jökli, 1968)

Griechisch

Ein Gartenlokal in Aubing. Der Kellner: Ein freundlicher, naiv trotteliger Mittvierziger, dachte ich (wofür ich mich schäme). Beim Umsonst-Ouzo geraten wir im sich geleert habenden Kastanienschatten ins Plaudern über Menschen und Götter, als ich auf der Rechnung lese: »Es bediente sie Theo«. Ich spreche ihn darauf an. Theodoros — sagt er ebenso empört über mein Unwissen wie stolz auf seinen Namen: das Gottesgeschenk. Mein Opa hieß Theo, murmle ich wie ertappt in mich hinein. Bei Frauen, sagt Theo: Doro­thea. Ich starre ihn fassungslos an, obzwar mir der Name wohlbekannt, ich aber nie seine Bedeutung erfaßt hatte. Um mich etwas zu beruhigen, schwärme ich von griechischen Mädchen-Namen meiner archäologischen Studentenzeit: Cristina. Erofili. Iphigenia. Nun habe ich beim Kellner Theo erst recht eine Saite angerissen: Iphigenia, er schnalzt vor Begeisterung mit der Zunge, des Agamemnon, Fürsten von Mykene Tochter, Priesterin zu Aulis. Mir rennt Gänsehaut über den Körper. Erofili: Tochter des Liebesgottes… er setzt mir eine Bedeutung der Namensetymologie auseinander, der ich nicht mehr folgen kann, weil ich mit den Tränen kämpfe.

Da stand sie leibhaftig vor mir: Die Volksseele, die es laut »die Wissenschaft« nicht gibt, weil Völker Konstrukte seien, Urheber allen Bösen, die es aufzulösen gilt in der Ätzlauge EU. Man suche einen deutschen Kellner (m/w/d), der/die/das je etwas gehört hat vom Wessobrunner Gebet (»noh pereg ni was, noh sunna ni scein«), die Genealogie Parzivals parat hat oder über den einst beliebten Namen Dorothea Auskunft geben kann…

Bewahrung von Eigenem richtet sich gegen niemanden. Sie nimmt sich nur selbst ernst.

Plötzlich regnet es bei wolkenlos blauem Himmel vom Kastanienbaum. Dicke Tropfen fallen auf uns und die Tischplatte herab. Genüßlich badet eine geplusterte Kohlmeise in der Höhlung auf einem querstrebenden Ast — ein wundervolles Bassin, vom gestrigen Regen gut gefüllt.


Teil III von Religio, »Europa«, reagiert auf den Versuch, ein supranationales, anti­souveränistisches Monstrum wie die EU zu etablieren, die nicht zu verwechseln ist mit Kontinent und abendländischem Kulturraum Europa. (Wie soll ein Bürger als Souverän souverän sein, wenn in Brüssel nicht nur über seinen Kopf, sondern auch über den Kopf der von ihm gewählten Repräsentanten hinweg entschieden wird?) Es wird leicht sein zu zeigen, daß die EU nicht nur nicht Bindungskräfte aufbauen kann, sondern vielfach spalterisch tätig ist. Es wird deutlich schwerer sein aufzuzeigen, was Europa, das Abendland, verbindet im Laufe der Geschichte und vor allem heute.

Anmerkungen

  1. Joseph Roth: Die Kapuzinergruft. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1999 (Romane in vier Bänden; 4), S. 19. — Dem Grafen Chojnicki, dem Roth diesen Satz in den Mund legt, mißfällt das darin Festgestellte, er meint, »Österreich« (also die Habsburger Monarchie) werde »an dieser Nibelungen­treue zu Grunde gehen«. Für Chojnicki (und seinen Schöpfer Roth, so darf man annehmen) ist das »Wesen Österreichs« (wiederum ist die Vielvölkermonachie Seiner Apostolischen Majestät gemeint) »nicht Zentrum, sondern Peripherie«, denn »die österreichische Substanz« werde »genährt und immer wieder aufgefüllt von den Kronländern«, als da sind: Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien, letzteres Geburtsheimat von Joseph Roth, über den die Anekdote kursiert, ein Leser hätte zu ihm gesagt, er würde schreiben wie ein galizischer Jude, worauf er den Sprecher beschieden haben soll: »Ich bin ein galizischer Jude.« 

  2. Rudolf Neck (Hrsg.): Österreich im Jahre 1918. Berichte und Dokumente. München: Oldenbourg, 1968, S. 75. 

  3. »Während der Zwischenkriegszeit galt für die politischen Eliten aller Lager […], daß die kulturelle Identität der Österreicher eine Deutsche war. Die junge Republik ›Deutschösterreich‹ […] sah sich als Teil einer deutschen Kulturnation.« Thomas Dostal: Bildung zu »Volkstum und Heimat« in der öster­reichischen Volksbildung der Zwischenkriegszeit. Dissertation, Universität Wien 2017, S. 218, https://www.vhs.or.at/sites/default/files/weiterfuehrendes/Dissertation-Dostal-Bildung-zu-Volkstum-und-Heimat-in-der-oesterreichischen-Volksbildung-der-Zwischenkriegszeit.pdf

  4. Renner konnte sich gegen den Wunsch der Christsozialen nicht durchsetzen, die den Namen »Öster­reich« nicht gänzlich aufgeben wollten. 

  5. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat unter Nancy Faeser spricht davon, »die Festigung der ethnokulturellen Identität« der deutschen Minderheiten in Europa und Asien zu fördern: Broschüre »Deutsche Minderheiten stellen sich vor« (2023), S. 8, S. 60. 

  6. Nur so konnte es zu der reichlich absurden Situation kommen, daß der deutsche Staat dem eth­nisch deutschen Österreicher und EU-Bürger Martin Sellner die Einreise nach Deutschland verweigern wollte, wogegen dieser dann juristisch erfolgreich vorgegangen ist. 

  7. Viktor [von] Geramb: Von Volkstum und Heimat. Gedanken zum Neuaufbau. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage. Graz: Verlag von Ulrich Mosers Buchhandlung (J. Meyerhoff), 1922. 

  8. Für nicht einmal 1 Euro in einem Gesamtkonvolut mehrerer Bücher; in dieser Ausgabe bei ZVAB und Booklooker zwischen 10 und 13 Euro erhältlich. 

  9. »Dem hochverehrten Herrn Generalkonservator Dr. Georg Hager in dankbarer Verehrung / Viktor Geramb / Weihnachten 1922«. 

  10. In diesem Text wird auf die sozialistische Gleichmacherunsitte verzichtet, Viktor von Geramb mit dem seit 1919 für Österreich vorgeschriebenem entadeligten Nachnamen »Geramb« zu bezeichnen, wie es ja auch ungehörig ist, den Thronfolger Seiner Apostolischen Majestät, Otto von Habsburg, penetrant Otto Habsburg zu nennen, als wäre dieser »Habsburg« ein Hinz, Kunz oder Schmid. 

  11. Michael J. Greger / Johann Verhovsek: Viktor Geramb 1884–1958. Leben und Werk. Wien: Verlag des Vereins für Volkskunde, 2007, S. 48, S. 54. 

  12. Christoph H. Binder, Viktor von Geramb und Max Mell. Aus ihrem Briefwechsel in den Jahren 1938 bis 1945. Historischer Verein für Steiermark. Blätter für Heimatkunde 59, 1985, S. 120–136, hier: von Geramb an Mell, Graz, 27. April 1939, S. 125. 

  13. Viktor von Geramb führte (u.a.) einen umfangreichen Briefwechsel mit Werner Bergengruen. 

  14. Die Beteiligung Bulgariens an der Seite des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns erklärt, warum bis heute das Generalkonsulat der Republik Bulgarien am Totensonntag im 1924 eingeweih­ten Denkmal des Unbekannten Soldaten an der Bayerischen Staatskanzlei in München (seinerzeit Bayerisches Armeemuseum) einen Kranz niederlegt. 

  15. Von Geramb, Volkstum (1922), wie Anm. 7, S. 7. 

  16. Ebd., S. 13–41. 

  17. Ebd., S. 19. 

  18. Zitiert nach: ebd., S. 34. 

  19. Ebd., S. 35f. 

  20. Ebd., S. 36. 

  21. Ebd., S. 38. 

  22. Ebd., S. 39f. 

  23. Ebd., S. 40. 

  24. Ebd., S. 31f. 

  25. Dostal: Bildung (2017), wie Anm. 3, S. 75. — Das Verurteilungsverb »aufladen« bei Dostal dann noch mehrfach, etwa in der Verdammung der »hohe[n] Emotionalität, mit der Geramb seine Vorstellungen auflud«, S. 76. 

  26. Viktor [von] Geramb: Um Österreichs Volkskultur. Salzburg 1946, S. 14. 

  27. Viktor [von] Geramb: Urverbundenheit. In: Hessische Blätter für Volkskunde 36 (1937), S. 1–31. 

  28. Dostal: Bildung (2017), wie Anm. 3, S. 74. 

  29. Leopold Kretzenbacher: Volkskunde als Faktor der Kulturprägung im Österreich der Zwischen­kriegszeit. In: Horváth Ferenc (Hrsg.): Verschiedene kulturelle Bestrebungen zwischen den zwei Weltkriegen im pannonischen Raum. Szombarthely 1983 (Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf; 12), S. 86. 

  30. Von Geramb: Volkstum (1922), wie Anm. 7, S. 47. 

  31. Ebd., S. 49. 

  32. Zitiert nach: ebd., S. 50f. 

  33. Dostal: Bildung (2017), wie Anm. 3, S. 115. 

  34. Diese Erkenntnisse schöpfen aus eigenem Miterleben der Verhältnisse am Münchner Volkskunde-Lehrstuhl, an dem der Verfasser von 2003 bis 2013 einen Lehrauftrag innehatte. 

  35. Theodor Fontane hat bei seinen »Wanderungen in der Mark Brandenburg« das Schloß als Wanderziel bevorzugt, auch wenn er weniger gewandert als mit Zug und Kutsche gereist sein mag. 

  36. Von Geramb: Volkstum (1922), wie Anm. 7, S. 127f. 

  37. Zum Wandern als Grundlage des Verstehens: Jürgen Schmid: Volkskunde ade — was bleibt? In: Anna Jank-Humann, Reinhold Popp (Hrsg.): Festschrift für Bernd Rieken. Kultur, Psyche und De­saster. Beiträge aus Europäischer Ethnologie, Psychotherapiewissenschaft, Katastrophenforschung und Frisistik. Münster: Waxmann, 2024 (Psychotherapiewissenschaft in Forschung, Profession und Kultur; 42), S. 40–55, hier S. 45–47 (»Bräuche erwandern« — eine Verlustskizze). 

  38. Viktor von Geramb. Ein Lebensbild von Hanns Koren. Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark, Sonderband 5, 1974, S. 9. 

  39. Von Geramb: Volkstum (1922), wie Anm. 7, S. 131. 

  40. Ebd., S. 132. 

  41. Ebd., S. 133. 

  42. Ebd., S. 134. 

  43. In seinem Buch »Patriotismus — Ein linkes Plädoyer« (2010) schreibt Habeck, »man« (wer ist man?) brauche »eine Erzählung, die auf Veränderung setzt, auf Gerechtigkeit und Internationalität. Dieses Engagement nenne ich einen ›linken Patriotismus‹.« Und anschließend das vielsagende Bekenntnis: »Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.« Diese Aussage ist, auch ohne Faktencheck durch Correctiv, leicht als falsch zu erkennen: Denn als Wirtschaftminister der Ampel-Koalition wusste und weiß der Autor durchaus einiges mit dem Land anzufangen, das für ihn und seinesgleichen unverständlicherweise immer noch Deutschland heißen darf. 

  44. In bildungsbürgerlichen Bücherschränken der Zeit von Gerambs Gedankengängen, in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, standen die »Reden an die Deutschen« noch wie selbstverständlich und wurden auch von Generation zu Generation weitergegeben, wie ein mir vorliegendes Exemplar eines Studenten vom Geburtsjahrgang 1895 mit Widmung eines Verwandten aus dieser Zeit exemplarisch belegt. 

  45. Von Geramb: Volkstum (1922), wie Anm. 7, S. 161–184 (»Die neue Südmark«, Festvortrag zur Gründung der Südmark-Frauengruppe, April 1922). 

  46. Notiz aus der Zeit, als ich anfing, mich in die politische Diskussion zu stürzen.