Religio IX

Die Zeichen. Romano Guardini (1885–1968)

Geschrieben von Jürgen Schmid am 19.5.2025

Während das Moderne in seiner Ausrichtung auf den ›Menschen
von heute‹ veraltet, offenbart das Alte sich in ewiger Jugend.
Bernward Deneke


In den Jahren 1922 und 1923 veröffentlicht Romano Guardini, seinerzeit Seelsorger bei der katholischen Jugendbewegung des Quickborn auf Burg Rothenfels am Main und just zu dem Zeitpunkt, als er Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung in Berlin zu lehren beginnt, in zwei Heften eine kleine Schrift mit dem Titel Von heiligen Zeichen.1 Der Theologe, auf den Joseph Ratzinger in den beiden Gesprächsbänden Salz der Erde und Gott und die Welt2 am häufigsten und stets zustimmend zurück­kommt, hat damit eine Kompendium katholischer Frömmigkeitszeichen geschaffen, das erlaubt, einzutauchen in eine Welt, die durch und durch sakralisiert ist (im Sinne Mircea Eliades) und tief durchdrungen von alltäglicher Volksfrömmigkeit (wie sie Leopold Kretzenbacher beschreibt und Paul Ernst Rattelmüller fotografisch dokumentiert3). Die Mystik in Guardinis sprachlichem Zugriff auf diese Zeichen steht bereits für den Abstand, der ihn von der heutigen so profanen, nein: unheiligen Welt trennt, deren Vertreter nichts mehr Ernst zu nehmen bereit sind außer ihrer selbstgezimmerten säkularen Ersatzreligion.

Kardinal Joseph Ratzinger und der Journalist Peter Seewald beklagen 1996 unisono, daß »Zeichen und Worte« des christlichen Glaubens inzwischen fast unkenntlich »wie hinter einer Nebelwand verborgen« liegen (Seewald) und altvertraute Begriffe wie Tabernakel4 »zu Fremdwörtern geworden« sind (Ratzinger), so daß (wiederum der Kardinal) es höchste Zeit wäre, »eine Neugierde auf den Reichtum zu schaffen, der sich hier verbirgt, und diesen Reichtum nicht als Last von Systemen anzusehen,5 sondern als einen Lebensschatz.«6

Wenn nun einige dieser heiligen Zeichen herausgegriffen und mit volks­frommem Leben, wie es vielfach gelebt wurde und wird, gefüllt werden, möge daran deutlich werden, was es heißt, in einer zeichenhaften Welt zu leben, die aufblickt zu etwas, was den Menschen tragen und halten kann, was ihn rückverbindet mit einem Höheren, dessen Voraussetzungen er selbst nicht zu schaffen imstande ist.

Das Kreuz

Kann man an einem Feldkreuz vorbeigehen, ohne ihm die Ehre zu erweisen? Man kann. Ich kann es nicht. Wie meine Mutter es mir oft und oft vorgemacht hat, gemahnt es mich, ein Kreuzzeichen zu schlagen. Was tue ich da — und wie tue ich es? Intuitiv, oft nur wie nebenbei, obenhin zu­weilen, doch stets aus dem inneren Bedürfnis, die Ehre zu erweisen und mit dem Gedanken, es möge Schutz gewähren.

Romano Guardini eröffnet sein Büchlein mit einer kurzen Meditation über »Das Kreuzzeichen«:7 »Du machst das Zeichen des Kreuzes, machst es richtig. Kein hastiges, verkrüppeltes, bei dem man nicht weiß, was es be­deuten soll, sondern ein richtiges Kreuzzeichen, langsam, groß, von der Stirn zur Brust, von einer Schulter zur anderen. Fühlst du, wie es dich ganz umfasst?«

An einem Feldkreuz im Gleisental, wo sich der Blick öffnet auf ein Gebirgs­panorama von Benediktenwand bis Zugspitze, das neben dem Namen des Erbauers die Jahreszahl 1947 trägt, steht eine Bank. Auf dieser sitzend, wurden wir nun schon desöfteren beschämt, weil wir so unachtsam neben diesem Heilszeichen saßen. Mehrmals kam ein Mann seines Weges — beim ersten Mal fragte ich ihn, ob er auch auf der Bank sitzen wolle. Er bedankte sich, lehnte ab, denn — so sagte er — er wolle am Kreuz beten, wie er dies immer tue. Er stand, leicht gesenkten Hauptes vor dem Kreuz, sprach für sich ein kurzes Gebet, legte die rechte Hand an den Kreuzesstamm, bekreuzigte sich, bevor er weiter zog.

[Wegkreuz an einem Bauernhof im Glatzer Bergland Schlesiens — die Inschrift mit der Verlobung an Gott den Allmächtigen ist seit der Ver­treibung derer, die es errichteten, also seit 1945, teilweise abhanden gekommen.]

Guardini gemahnt, eine Geste, die etwas bedeutet, nicht leicht- und eilfertig, nicht schlampig und gedankenlos auszuführen, sondern »mit Bedacht«, konzentriert, würdig. Der Beter im Gleisental steht für diese Bedacht, für das Innehalten, das Aufsehen (welche Zweideutigkeit doch ein solches Wort haben kann).

Ist das, was Guardini in den Heiligen Zeichen darlegt, nun eine Lektion, die »nur« Katholiken betrifft oder jedenfalls Christen alleine? Ich denke nicht. Ordnung und Sammlung, das ist es, was das Kreuzzeichen dem Menschen geben soll, so sagt es Guardini. Wer könnte behaupten, dies nicht nötig zu haben? Wer sich selbst nicht bekreuzigen will, kann doch an einem, den er bei solch achtsamem, sammelndem Tun beobachtet, erkennen, wie es den Menschen erdet und erhebt zugleich — und eigene Wege finden, solchen Zustand zu erreichen.

Raumzeichen wie Feldkreuze sind — neben ihrer Intention, für Christus und seine Botschaft zu künden — Zeichen, die alle angehen, die sie sehen, die zu jedermann sprechen: Da hat ein Mensch in seinem Tun innegehalten, hat sich gesammelt und ein Zeichen errichtet, oft in liebevoller Hand­arbeit, mit wohlbedachten Schnitzereien, im Gleisental ist es das Relief einer Monstranz, die den Kreuzesstamm ziert; der Name des Kreuzerbauers und die Jahres­zahl sind mit Nägeln geschrieben, welche zu den Arma Christi gehören, gedacht als Waffen des Erlösers, welche das Heil für die Menschheit erkämpfen — auch dies also ein Symbol, mit großer Bedacht gewählt.

Immer, davon muß man ausgehen, ist ein Feldkreuz Zeichen einer Not­lage, eines Gelübdes, einer Bitte derer, die es errichtet haben — es spricht also über den Menschen und seinen Weg durchs Leben. Feldkreuze sind somit Gebete, sie erweisen dem Höchsten die Ehre, sie stehen für Demut — und sind, jedes einzelne von ihnen, nicht zuletzt bildgewordene Bücher vergangener Leben, die die Geschichte des Volkes in sich tragen, auch wenn der Betrachter, wie im Falle des Gleisentaler Buches, meist nur aus andeutenden Indizien, hier der Jahreszahl »1947«, vermuten kann, was sich dahinter verbirgt — der Dank für die heile Rückkehr aus dem Krieg?

Man erweist nicht oft die Ehre, man hält viel zu selten inne, schaut wenig auf zu etwas, was über einem ist.

Die Stufen

»Da sind die Stufen. Unzählige Male bist du sie zur Kirche hinaufgestiegen. Bist du aber auch inne geworden, was dabei in dir vorging? Denn es ge­schieht wirklich etwas in uns, wenn wir sie hinaufsteigen; nur ist das sehr fein und still, und wird leicht übertönt.«8

Wieder begegnen sie uns — die Stufen jener Jakobsleiter, die zum Himmel, zum Paradies führt, wie sie uns das volkskundliche Werk Leopold Kretzen­bachers nahegebracht hat und auch die Schau Gottes in der mystischen Versenkungsübung athonitischer Mönche, die ebenfalls stufenförmig nach oben führen soll.

»Wenn wir die Stufen hinaufsteigen, dann steigt nicht nur der Fuß, sondern unser ganzes Sein. Auch geistig steigen wir.« Es ist keineswegs belanglos, wenn Kirchen auf Anhöhen liegen — und wo sie es nicht tun, Stufen zu ihrer Pforte hinführen: »Sie sagen: Du gehst hinauf, zum Haus des Gebetes; näher zu Gott. Vom Schiff [!] der Kirche wieder Stufen zum Chor; die sagen: Nun trittst du ins Allerheiligste ein. Und Stufen tragen zum Altar empor.«9 Hier, im Allerheiligsten, dem eigentlich für alle außer für ihn Unbetretbaren, dem Adyton, zelebriert der Priester die Mysterien — und er ist, auf dem Weg zum Priestertum, ebenfalls empor gestiegen.

Das Konzil von Trient verfügt 1563 über das Sakrament der Priesterweihe, es gebe »höhere und niedere Weihen«, »durch die man gleichsam wie über Stufen auf das Priestertum zugeht« — wer das ablehne, sei mit einem Ana­thema, dem Kirchenbann, der die Exkommunikation bedeutet, belegt.

[Treppen zum Himmel — ein iroschottischer Mönch, der in einer Nussschale von Boot über den offenen Atlantik vor die Küste Irlands gerudert ist, hat im frühen Mittelalter die Steinstufen dieser Treppe hinauf vom Meer zum höchsten Punkt der Insel Skellig Michael erbaut, nach dort oben, wo er und andere Gottesmänner in einem winzigen Kloster aus bienenwaben­förmigen Steinhütten den Herrn priesen.]

Ein Diakon der Petrusbrüder, der sympathisch aufgeweckte Österreicher Alexander Mayer, erzählt (ab Minute 3:20) von seinem Berufungsweg, der ihn im Priesterseminar in jedem Studienjahr über jeweils zwei Weihestufen hin zum Priestertum führt, worin Mayer eine große »spirituelle Bestärkung« sieht. Auf sieben Stufen schreitet der Kandidat zum Altar:10 Vom Ostiarius, dem Pförtner und Türwächter; über den Lektor, der befähigt ist zum Singen des Evangeliums; dem Akolyth, einem Begleiter und Helfer des Priesters in der Heiligen Messe, welcher den Altardienst verrichtet und bei Spendung der Kommunion mitwirkt; das altertümliche Amt des Exorzisten, dessen modernen Ausflüsse wir in der letzten Folge von »Religio« erlebt haben; dann die höheren Weihen, beginnend mit dem Subdiakon; der Diakon schließlich darf bereits das Sakrament der Taufe spenden; und endlich die Priesterweihe selbst.

Mehr als vierhundert Jahre nach dem Tridentinum, 1972, ist es an Papst Paul VI., die vier Stufen der niederen Weihen abzuschaffen: Sie wurden aus der Priesterausbildung und damit aus den Händen des Klerus gelöst, und — zumindest jene beiden Ämter, die die Streichung überlebten, Lektor und Akolyth — laiisiert, weil dadurch »auch Laien im gottesdienstlichen Handeln sichtbar werden sollten«. Nur wenige Traditionalisten wie die Petrusbruderschaft im westallgäuischen Wigratzbad, die entgegen allen rückläufigen Trends in ihrem Priesterseminar Nachwuchs in Fülle ausbilden kann, hält daran fest, ihre Priesteramtskandidaten wie Alexander Mayer sukzessive eine Weihestufe nach der anderen nach oben steigen und sie somit organisch hineinwachsen zu lassen in ihre Aufgaben.

Was das Konzil noch intakt ließ, hat seit 1972 einer Klerikalisierung des Laienstandes bei gleichzeitiger Laisierung des Klerus Vorschub geleistet, die Johannes Paul II. früh umtrieb.11 Joseph Ratzinger spricht von »mache­rische[m] Geist«, der damit in die Kirche und speziell in die Liturgie einge­zogen sei — der Laie Nikolaus Lobkowicz nennt solche laikalen Umtriebe umstandslos »Gschaftlhuberei«12 —, wenn sich »Liturgiekreise« »selber die Liturgie zurechtbasteln«. Ratzinger formuliert, typisch für ihn, auch hier, im Allerheiligsten, wo Frevel wirklich schmerzt, konziliant, das Ergebnis dieser Bastelei sei »sicher das Produkt von ein paar gescheiten, tüchtigen Leuten, die sich etwas ausgedacht haben«. Aber darin sei nicht mehr die Begegnung möglich »mit dem ganz Anderen, dem Heiligen«. »Respekt« wäre von Nöten, so der Kardinal, der der Glaubenskongregation vorsteht, »vor der Liturgie und ihrer Unmanipulierbarkeit«: »Daß wir sie wieder als das lebendig Gewachsene und Geschenkte erkennen lernen, in dem wir an der himmlischen Liturgie teilnehmen. Daß wir in ihr nicht Selbstverwirk­lichung suchen, sondern die Gabe, die uns zukommt.«13

Das Linnen

Der Psychiater Raphael Bonelli erklärt in einem Vortrag über die »Krise der Kirche« (ab Minute 2:45), daß der Glaube gut sei für die Psyche, aber nur dann, wenn er von innen heraus komme, während ausgestellte Frömmig­keit den Menschen nicht positiv beeinflussen könne — er meint jene Laien, die »wichtig sein« und dabei gesehen werden wollen, wie sie Lesung halten und Kommunion austeilen, sich dabei »nach vorne drängen in den Altar­raum« und »versuchen, die Priester zu verdrängen«.

Heraus kommen dabei Affronts wie jener, den ich in einem kleinen Dorf Schwabens am Karfreitag sah: Wie eine Laiin kurz vor Beginn der Kar­freitagsliturgie, die damit einsetzt, daß der Priester sich nach stummem Einzug in die Kirche vor dem verhangenen Kreuz niederwirft,14 die Altar­tücher in maximal unwürdiger Geste vom Altar riß, wie man schmutzige Laken von einem Bett abzieht und wie sie das Altarlinnen zerknüllt über den Arm gelegt in die Sakristei trug, während die Gemeinde schon in der Kirche versammelt war.15

Romano Guardini setzt den Gegenakzent in seinem Hymnus auf »Das Linnen«:16 »Über den Altar wird es gebreitet. Es liegt als ›Corporale‹, als Leibtuch des Herrn unter Kelch und Hostie.« Wer je gesehen hat, mit welcher Sorgfalt der Diakon den Tisch des Altares, »an dem das göttliche Brot gereicht wird«, mit drei Lagen Linnen »deckt«, der kann die Würde ermessen, die die Kirche diesem zeichenhaften Vorgang in ihrer Liturgie beimißt.

[Mangholz zum Glätten des Linnen — ein Alltagsgegenstand, dem seine Hersteller und Benutzer mittels Kerbschnitzereien und Bemalung bedachte Aufmerksamkeit entgegengebracht haben, eine Bedacht, die auch den Arbeitsvorgang, der mit diesem Gerät ausgeführt wird, in eine Art sakrale Aura hebt — der österreichische Volkskundler Leopold Schmidt hat in solcher Weise gestaltetem Arbeitsgerät Gestaltheiligkeit zugesprochen.17]

»Köstlich ist rechtes Linnen; rein, fein und fest. Wenn es so weiß und frisch da liegt — ich muß an einen Gang im winterlichen Wald denken. Mit einem Mal kam ich auf eine Halde, die lag voll frisch gefallenen Schnees, makellos, zwischen schwarzen Tannen. Da habe ich mich nicht getraut, darüber zu laufen; ganz ehrfürchtig bin ich herumgegangen … so liegt das Linnen ausgebreitet für das Heilige.«

Wenn Laien sichtbar werden, leidet die Heiligkeit der Handlung Schaden. Und wenn wir Bonellis Einwand im Sinne von Religio weiterdenken: Rück­bindung findet nicht im Kirchenvorstand statt, wo der geweihte Priester sich von Laien, sprich: Unbefugten, in die Ausgestaltung seines Amtes dreinreden lassen muß, und auch nicht, wenn ein profaner Lektor am Ambo coram publico Fürbitten verliest, schon gar nicht, wo protestantische Omas »gegen rechts« marschieren, sondern in der Mitfeier der würdig vollzogenen Eucharistie in den Reihen der Gemeinde oder im stillen Gebet am Seitenaltar der leeren Kirche.18

Erneuerung

Carl Zuckmayer legt uns eine »Streiterin für die ewige Ordnung, für die geheime Schönheit und Harmonie der Welt« ans Herz: Hugenottischer Adel, Gutsbesitzerstochter aus Mecklenburg, in der Mitte ihres langen Lebens zum Katholizismus konvertierte Protestantin, Zentralgestalt katholischer Erneuerung, als renommierte Schriftstellerin 1939 nach Oberstdorf übersiedelnd, wo sie bis zu ihrem Tod, im 95. Lebensjahr, glauben und suchen, denken und schreiben wird — so die Biographie der Gertrud von le Fort (1876-1971)19 im eigentlich unstatthaften Steno­grammstil.

Die Hymnikerin steht in intensivem Kontakt mit Reinhold Schneider, ka­tho­lisches Gewissen seines Landes, und dem protestantischen Dialektiker Friedrich Gogarten (ihn werden wir im nächsten und abschließenden Teil von »Religio« kennenlernen), Gegenspieler jener liberalen evangelischen Theologie, wie sie federführend Ernst Troeltsch vertritt. Ihn hört die bereits 35jährige an der Universität Heidelberg am Vorabend des Ersten Weltkrieges, die Mitschrift seiner Vorlesungen zur »Glaubenslehre« wird sie nach dessen Tod herausgeben.20

Was bleibt von ihrem Werk, dem ein Archiv in Ofterschwang gedenkt, dort im bayerisch-schwäbischen Allgäu, wo sie Jahrzehnte lang lebte? Vor hundert Jahren, kurz vor ihrer Konversion, schreibt le Fort Hymnen an die Kirche (1924): »Herr, es liegt ein Traum von dir in meiner Seele, aber ich kann nicht zu dir kommen, denn alle meine Tore sind verriegelt! / Ich bin belagert wie von Heerscharen, ich bin eingeschlossen in mein ewiges Allein! […] / [I]mmer, immer bin ich nur in mir!«21

Es sind Lieder des Tastens und des Lobpreises, eine mystische Dichtung, wie sie im Hier und Jetzt fremder nicht sein könnte — und zugleich hoch­gradig inspirierend für den, der bereit ist, sich vom Wellenschlag dieser Verse tragen zu lassen, die man getrost im Zusammenhang mit Guardinis fast gleichzeitigen Meditationen über die Heiligen Zeichen lesen kann.

[Skellig Michael — Berg im Meer, den Mönche erwählten zum Gebet.]

»Deine Diener tragen Gewänder, die nicht alt werden, und deine Sprache ist wie das Erz deiner Glocken. / Deine Gebete sind wie tausendjährige Eichen und deine Psalmen haben den Atem der Meere. / Deine Lehre ist wie eine Feste auf uneinnehmbaren Bergen. / Deine Weihen sind wie große Zeichen von Feuer auf den Stirnen, niemand kann sie auslöschen. / Denn das Maß deiner Treue ist nicht Menschentreue, und das Maß deiner Jahre faßt keinen Herbst. / Du bist wie eine beständige Flamme über wirbelnder Asche! / Du bist wie ein Turm inmitten reißender Wasser!«22

Was die Baronesse zeitlebens umtreibt: die »Bewährung der christlichen Persönlichkeit in einer säkularisierten Welt«. Gertrud von le Fort erscheint uns Heutigen als eine aus der Zeit gefallene Autorin. Eine Wiederent­deckung ihres Werkes könnte das Risiko enthalten, säkulare Gewissheiten erschüttert zu sehen; ganz ähnlich verhält es sich mit dem Werk von Romano Guardini.

Die Kerze

»Sieh, wie sie auf dem Leuchter steht. Breit und schwer ruht dessen Fuß; sicher ragt der Schaft; […] vom weit ausladenden Blatt unterfangen, steigt die Kerze auf […]; fest geformt, so hoch sie auch ragt. So steht sie im Raum, schlank, in unberührter Reine, und doch warm getönt ihre Farbe; herausgehoben durch ihre klare Form aus aller Vermischung.«23

Wie fremd tönt heute ein Hymnus auf die Kerze, wie ihn Romano Guardini singt. Ein Gebrauchsgegenstand, den man in Zeiten, wo das Licht — um­gewandelt von einer Sonne, die keine Rechnung schickt — per Schalter­umlegen aus der Steckdose kommt, doch schon gar nicht mehr wirklich »braucht«.24 Wer pflegt heute noch den Kerzenschein? Ein paar Nostalgi­ker, die sich anheimelnde Gefühle davon versprechen, wenn sie zum Tee ein Kerzenlicht entzünden. Einige Lokale, die ihren Gästen eine Kerze auf dem Tisch gönnen, die allerdings immer öfter zu einem Plastik-LED-Surrogat wird. Und die Kirche, deren Gottesdienste nicht denkbar sind, ohne daß vor ihrem Beginn der Mesner Flammen leuchten läßt, denen Guardini ebenfalls eine wunderschöne Betrachtung gewidmet hat:

»Du sitzt spät im trüben Zimmer. Die Wände stehen grau und teilnahms­los, der Hausrat stumm. Da kommt ein wohlbekannter Schritt; eine geschickte Hand richtet den Ofen, es knistert drinnen, die Flamme züngelt auf, und aus dem offenen Türchen fällt roter Schein ins Zimmer, wohlige Wärme fließt her — alles ist verwandelt. Wie wenn in einem erloschenen Gesicht plötzlich freundliches Leben aufleuchtet.«25

Meine Großmutter hat, unmittelbar nach dem Aufstehen, sogleich ihren Holzherd angeheizt, der in der Küche stand.26 Sie tat dies, obwohl sie einen modernen Gasherd besaß, an dem sie gelegentlich auch kochte; sie wollte eine Stubenwärme, die aus Holz und Flamme kam, wenngleich das Haus längst mittels zentraler Ölheizung über Heizkörper beheizt werden konnte. Es ist die Sehnsucht nach dem ständig brennenden Feuer, die solch alte Frauen pflegen, in Theodor Fontanes Roman Irrungen, Wirrungen (1888) die »Mutter Nimptsch« im gründerzeitlichen Berlin27 ebenso wie eine bäuer­liche Frau auf einem schwäbischen Dorf an der Schwelle zur Moderne.28

Ebenso war es — es ist nur in Vergessenheit geraten — über Jahrhunderte selbstverständlich, daß eine Kerze, geweiht und entzündet an der Oster­kerze, die den Auferstandenen symbolisiert (»Christus das Licht«), mehr ist als ein Docht in einer Wachshülle, der zum Brennen gebracht werden kann.29 Leo Tolstoi erzählt in Krieg und Frieden vom »feierlichsten Mysterium der Welt«, der Geburt, von der »Rührung und Weichheit aller Herzen angesichts des Unbegreiflichen«.30 Im Hause des Fürsten Andrej Bolkonskij wartet man auf dieses Mysterium — und seine alte Kinderfrau bereitet sich auf ihre Art darauf vor: »Da habe ich auch die Kerzen von der Trauung des Fürsten mitgebracht, sie wollen wir vor seinem Schutz­heiligen anzünden«.31 Die Kerze, die bei der Hochzeit brannte, möge — aufgeladen mit heiliger Aura — die Gebärende beschützen und den Angehörigen die Angst vor Komplikationen bei der Geburt nehmen.

Die Kerze und ihre Flamme — Zeichen und Symbol: »Oben schwebt die Flamme, und darin wandelt die Kerze ihren reinen Leib in warmes, strah­lendes Licht.« Für den glaubenden Menschen, den Homo religiosus, weit mehr als Gemütlichkeit und Nostalgie: »Es ist der tiefste Sinn des Lebens, sich in Wahrheit und Liebe für Gott zu verzehren, wie die Kerze in Licht und Glut.«32

Das Weihwasser

Am 16. April 1927, an einem Karsamstag voller Kälte, Sturm und Schnee, wird im kleinen Inndorf Marktl um halb neun Uhr morgens ein Kind, das in der Nacht, nur vier Stunden zuvor, das Licht der Welt erblickte, mit dem frisch geweihten Wasser, das von nun an ein ganzes Jahr als Taufwasser dient, als »erste[r] Täufling des neuen Wassers«33 getauft. Das Kind heißt Joseph Alois Ratzinger — nach einem langen Leben wird dieses Christen­kind als emeritierter Papst Benedikt XVI. am letzten Tag des Jahres 2022 ins Haus des Vaters abberufen. In Benedikts Vaterland ruft die mediale Meute dem Verstorbenen nur das Schlechteste nach; bei einem ungari­schen Publizisten liest man hingegen vom karsamstäglichen Gefühl, das den Theologen auf Grund seiner Taufe »in dieser liturgischen Stunde, die [wie er selbst sagt] ja die eigentliche Taufstunde der Kirche ist«,34 lebens­lang begleitet, umtreibt, spirituell anregt.

»Aus der Taufe sind wir einst«, so sagt es Guardini in den Worten des Evangeliums, »als neue Menschen hervorgegangen, ›aus Wasser und Geist geboren‹ (Joh 3,5), nachdem der alte Mensch darin untergegangen, gestorben war.«35 Am Tag, an dem die Kirche die Auferstehung Christi feiert, den Sieg über den Tod, am Ostersonntag (in Marktl geschah dies seinerzeit wie an vielen Orten am Karsamstagmorgen), wird mit der Weihe des Wassers zugleich das Taufversprechen erneuert.36 Deshalb kann es nicht verwundern, daß ein Glaubender wie Joseph Ratzinger in seiner Taufe in diesen liturgischen Zusammenhängen ein ihn tief bewegendes Zeichen sah.

Das coronare Hygiene-Evangelium hat bedauerlicherweise Zeichen etabliert, die in Gottes Haus fehl am Platze sind. Nachdem Weihwasser­becken37 lange Zeit leer und ausgetrocknet waren wie wasserloser Wüstenboden38 (und das auch außerhalb der kirchlichen Trauerzeit zwischen Gründonnerstag und der Osternacht, wo dies liturgisch geboten ist) und ein Desinfektionsserum in unästhetischem Ständergestänge39 an ihre Stelle trat, verfügte noch im Oktober 2022, der Spuk war eigentlich vorbei, eine katholische Münchner Pfarrei ein merkwürdiges Gebot: »Bitte desinfizieren Sie vor Gebrauch des Weihwassers Ihre Hände!« Niemals hat eine gläubige Frau wie meine Großmutter das Weihwasser »gebraucht«, wie sie zum Wischen ihrer Küche das Putzwasser gebrauchte — geweihtem Wasser, von dem Guardini sagt, es sei ein »Mittel« der »Gnadenkraft« Gottes,40 gebührt Ehrfurcht.41

Das Knien und Stehen

»Wir glauben mit den Knien oder wir glauben überhaupt nicht.« So sta­tuiert es Martin Mosebach in seiner Streitschrift »Die Häresie der Form­losigkeit« (2003, Neuausgabe 2007), einem flammenden Plädoyer für die Schönheit und Rechtgläubigkeit des traditionellen römischen Messrituals, welches — und das formuliert so nun nicht der Katholik Mosebach, sondern ein Atheist namens Konrad Lorenzer — dem »Vandalismus«42 des Zweiten Vatikanums (und den Reformen in dessen Gefolge) zum Opfer gefallen ist.

»Wenn du die Knie beugst, laß es kein hastig-leeres Geschäft sein. Gib ihm eine Seele. Die Seele des Kniens aber ist, daß auch drinnen das Herz sich in Ehrfurcht vor Gott neige; in jener Ehrfurcht, die nur Gott erwiesen werden kann: daß es anbete.«43

Daß man inzwischen darüber diskutieren muß, ob es den Gläubigen er­laubt sein soll, den Leib Christi bei der Kommunion kniend zu empfangen, wie dies über Jahrhunderte die Normalität war, oder ob man dies stehend tun muß, wie es seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanum in Übung ist (schon alleine deshalb, weil die Kniebänke vor dem Chor, wo der Priester die Kommunion austeilt, im Zuge der Liturgiereform aus der Kirche entfernt wurden44) — diese Verwirrung zeigt eindrücklich, wie die Formlosigkeit alles zu zerfressen im Begriffe ist, was man an Ehrfurcht dem Mysterium gegen­über unzählige Generationen übergreifend für selbstverständlich gehalten hat.45

Man sitzt am Küchentisch, nicht aber vor Gottes Angesicht — so möchte man die Form­vorstellung in Worte fassen, die einen gläubigen Menschen wie Martin Mosebach bewegt. Es gibt manche Kirche in Italien, die einem von der Nordseite der Alpen Gekommenen seltsam leergeräumt erscheint, denn ihr fehlen Kirchenbänke und Stühle. Und selbstverständlich kommt »Das Sitzen« im Kompendium von Guardinis Heiligen Zeichen nicht vor, das »richtige« Stehen dagegen schon, »auf beiden Füßen, ohne sich aufzustützen«, »mit geraden Knien, aufrecht und beherrscht«.46

Das Schreiten

Ein alter Mann im Rollstuhl, gefahren von einer Pflegerin, begleitet von seiner Tochter. Wir fragen nach dem Weg zur kleinen Kapelle St. Wendelin in Hagenried, in der eine spätmittelalterliche Anbetungsgruppe der Heiligen Drei Könige als Altarbild stehen soll, ursprünglich Teil einer Krippe aus der einstigen Prämonstratenser-Reichsabtei Ursberg. Ob sie, die Bewohner dieses Dorfes, denn früher nach Ursberg gewallfahrtet seien, zum wunder­tätigen Kruzifix, drängt es mich zu fragen. Nein, das nicht — aber nach Vio­lau, zum Gnadenbild der Muttergottes in die Veilchenau. Ich traue meinen Ohren nicht, denn die Wegstrecke dorthin beträgt, nach vorsichtiger Schätzung, mindestens fünfzehn Kilometer, einfachen Wegs. Ja freilich, sagt der Mann, man sei doch schon um sechs Uhr morgens aufgebrochen — und nach der Messe, die um zehn Uhr gelesen wurde, wieder zurück gegangen ins Heimatdorf.

»Wann sieht man Menschen schreiten?«, so fragt Guardini.47 Die Antwort gibt dieser alte Mann im Rollstuhl: Bei Wallfahrten, ebenso bei Bitt- und Flurumgängen, bei der Fronleichnamsprozession, immer dann, wenn der Leib des Herrn in der Monstranz, durch die Orte und Fluren der irdischen Heimat getragen wird.

Mit dem Schreiten, dem andächtigen Gehen, ist es wie mit dem Stehen: Es muß in der richtigen Weise getan werden: »Es ist kein Eilen, sondern ruhige Bewegung; kein Schleichen, sondern sicheres Vorangehen. Der Schreitende geht freien Fußes, er schleppt sich nicht; aufgerichtet, nicht gebückt. Nicht unsicher, sondern in festem Gleichmaß.«48

Nicht viel hätte gefehlt, dann hätte Violau, die Wallfahrtskirche und ihr Gnadenbild, die Stürme aufklärerischer Säkularisation nicht überlebt, wäre das feierliche Schreiten hin zu ihr für alle Zeiten unterbunden gewesen. Schon vor 1803, dem großen Schlag, waren alle Wallfahrten verboten; danach setzte ein Bildersturm ein, der buchstäblich keinen Stein auf dem anderen lassen wollte: Das Gnadenbild der Muttergottes von Violau konnte gerade noch gerettet werden, verbracht auf den Dachboden des Wertinger Schlosses. Die Kirche sollte abgebrochen werden — schlimmstes wurde wie durch ein Wunder verhütet.49 Wäre das Zerstörungswerk vollendet worden — es hätte Generationen von Pilgern das Heil vorenthalten, das sie nach dem Abklingen dieser Stürme, das sich das gläubig beharrende Volk buch­stäblich ertrotzt hat,50 bis heute immer noch finden können, im Schreiten auf das Heil zu, in langen Fußwallfahrten, zu denen Gebet und innere Einkehr wie selbstverständlich gehören.51

Die Glocken

»Der Klang der Glocken ist Botschaft der Sehnsucht und der unendlichen Erfüllung.«52 Sie sind es, die das Volk Gottes zusammenhalten und ver­sammeln.53 Wenn die Kirchenglocken läuten, ist Gott präsent überall, wo sie gehört werden, breitet heiliger Raum sich aus dort, wo Menschen ihr Geläut vernehmen. Adalbert Stifter verdichtet diese Tatsache in seiner unnachahmlichen, rein beschreibenden Sprache im Bergkristall, als er den Moment schildert, wo die Rettungstruppe mit den in der Christnacht vom Berg heil geborgenen Kindern teilhat an der Mitternachtsmesse drunten im Tal, in ihrem Heimatort: »Als das Wandlungsglöcklein ertönte, sanken alle, die über die Siderwiese gingen, auf die Knie in den Schnee und beteten. Als der Klang des Glöcklein aus war, standen sie auf und gingen weiter.«54 Es bedarf keiner Erklärung, Absprache oder Anweisung, was in solch einer Situation zu tun ist — die moderne Soziologie würde das, was die Gläubigen dort hoch oben am Berg tun, als ihrem »Körper­wissen« entsprungen erklären.

»Drinnen der Raum der Kirche spricht von Gott. Er ist von der heiligen Ge­genwart erfüllt. […] Und der Raum draußen? Die Weite über den Ebenen, die sich nach allen Seiten endlos dehnt? […] Ist die dem Heiligtum nicht verbunden? Auch sie ist es. Aus dem Hause Gottes wächst der Turm in die freie Luft […]. [Dort] hängen die Glocken, schwer von Erz. Sie schwingen um die Welle; ihr ganzer Körper schwingt in sich selbst. Er sendet Klang auf Klang hinaus in die Weite. Wogen des Wohllauts […], [s]ie strömen hinaus, durchfluten die Weite und erfüllen sie mit der Botschaft des Heilig­tums.«55

Ein besonderes Läuten ist jenes der Mittagsstunde: »Wie ist der Augen­blick des Mittags reich! In der Stadt, wo alles lärmt und rennt, empfindest du ihn nicht. Aber geh hinaus, durch die Kornfelder, im Sommer etwa, wenn die Sonne im Scheitel steht, und die Weite glüht — wie wird dann alles so tief! Du stehst, und alle Zeit versinkt. […] Der Mittag ist reine Gegenwart, die Fülle des Tages … Nähe der Ewigkeit.«

Und das Mittagsläuten ist dazu angetan, innezuhalten im Gebet: »Fern her tönt die Glocke zum ›Engel des Herrn‹ … Sie spricht in den schweigenden Mittag die erlösende Botschaft: ‚Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft: und sie empfing vom Heiligen Geist — Und das Wort ist Fleisch geworden … und hat unter uns gewohnt.«56

Stefan Andres, geboren 1906 im Trierer Land, hat in seinen romanhaft erzählten Kindheitserinnerungen den Moment verewigt, wie er zum ersten Mal, zu Fuß naturgemäß, sich dem Heimatdorf seiner Mutter nähert, von ihm und den unbekannten Verwandten dort er viel gehört hat, und wie er auf dem Weg gewahr wird, daß die Mutter, je näher man dem Ziel kommt, desto vergnügter wird: »Als wir dicht vor dem Dorf anlangten, läutete es Mittag. Die Glocken hatten hohe Stimmen, und mir kam es vor, als wären darin schon die Stimmen unserer weiblichen Verwandten. Mutter sagte: ›Ei, dann laßt uns den Engel des Herrn beten!‹ Sie stimmte an, und als wir alle zusammen beteten: ›Herr, gib allen abgestorbenen Seelen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen‹, traten wir zwischen die ersten Häuser.«57

»Es läutet zum Gebet« — oder: »Hat es das Gebet schon geläutet?«, diese Zeitangaben konnte man in meiner Kindheit auf dem Dorf oft hören. Zum Gebet geläutet — drei Glockenschläge, für die drei Ave Maria, die beim Angelus zu beten sind — wird dreimal am Tag, um sechs Uhr morgens, zwölf Uhr mittags und sechs Uhr abends.58 Wer in diesem Rhythmus lebt, ahmt — als Weltmensch auf seine Art — die Chorgebete der Mönche nach, die in ähnlicher Weise den Tag einleiten, begleiten und beschließen.59

Das erste Mal, daß die Stimme eines Papstes auf einem Tonträger auf­gezeichnet wurde und damit heute noch zu hören ist — es ist die Stimme von Leo XIII., des Rosenkranz-Papstes, wie er 1903 den »Engel des Herrn«, das Angelus-Gebet betet.

Einer seiner Nachfolger im Petrusamt, der bayerische Papst Benedikt XVI., hat dieses Gebet in seiner Heimat bereits als Kind aufgesogen als etwas Zugehöriges, Selbstverständliches. Sein Tag, so sagt Joseph Ratzinger, als er bereits als Kurienkardinal in Rom oberster Glaubenswächter der Una Sancta ist, beginnt noch vor dem Aufstehen mit einem Gebet, denn »[d]er Tag sieht anders aus, wenn man nicht so direkt in ihn hineinstolpert.« Am Morgen hat jeder Priester Heilige Messe zu halten und das Brevier zu beten — letzteres ist dem Kardinal, der bald Papst werden sollte, besonders wichtig, als »Eintreten in das große Beten der ganzen Heilsgeschichte«, mit den Psalmen »als Herzstück«: »Hier betet man mit den Jahrtausenden mit und hört darin die Stimmen der Väter.«60

[Grabkreuze auf dem Friedhof des frühmittelalterlichen Klosters auf der Insel Skellig Michael mitten im Atlantik]

Kreuz und Glocke, Kerze und Weihwasser, Stufen und Linnen, das Beugen der Knie vor Gott und das Schreiten hin zu ihm — Zeichen sind es, die zur Besinnung aufrufen, die uns auf Schritt und Tritt ermahnen, die große Verbindung, ohne die der Mensch ein Nichts ist, zu achten.

Anmerkungen

  1. Romano Guardini: Von heiligen Zeichen. Erstes Heft. Deutsches Quickbornhaus: Rothen­fels, 1922; Zweites Heft. Ebd., 1923. Hier im Folgenden zitiert nach der Neuausgabe: Ostfildern: Matthias Grünewald, 11. Auflage, 2023. 

  2. Joseph Ratzinger / Benedikt XVI: Salz der Erde [Erstausgabe 1996] / Gott und die Welt [Erstausgabe 2000]. Gespräche mit Peter Seewald. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2006. 

  3. Paul Ernst Rattelmüller: Festliches Jahr. Brauchtum im bayerischen Alpengebiet. Mit einem Vorwort von Margarete Baur-Heinhold. München: Callwey, 1953. 

  4. Wenn der Kirchenführer im Video (bei Minute 0:33) darüber spricht, daß der Taber­nakel auf das hebräische Wort »Zelt« zurückgeht (in diesem Zelt stand, wenn das durch die Wüste wandernde Volk rastete, die Bundeslade mit den Gesetzestafeln, womit Jahwe und seine Weisung stets präsent waren) und daß, als König David in Jerusalem einen Tempel bauen will, Jahwe sich empört, weil er nicht in ein Haus eingesperrt werden will, erinnern sich Leser von Thomas Manns Doktor Faustus an die denkwürdige Auslegung dieser alttestamentarische Geschichte durch einen deutschen Juden in einem Münchner Salon der Zwischenkriegszeit, wie der Romancier sie erzählt: »Für ihn [jenen besagten Privatgelehrten Dr. Chaim Breisacher] waren solche jedem Christenkinde ehrwürdigen biblischen Personnagen wie die Könige David und Salomo […] bereits die herunter­gekommenen Repräsentanten einer verblasenen Spät-Theologie, die von der alt- und echten hebräischen Wirklichkeit des Volks-Elohim Jahwe keine Ahnung mehr hatten und in den Riten, mit denen man zur Zeit echten Volkstums diesem Nationalgott diente oder vielmehr ihn zur körperlichen Gegenwart zwang, nur noch ›Rätsel der Urzeit‹ sah. Besonders auf den ›weisen‹ Salomo war er scharf und sprang mit ihm um, daß die Herren durch die Zähne pfiffen und die Damen ein erstauntes Jauchzen hören ließen. […] ›Der Mann war […] in religiöser Beziehung ein fortschrittlicher Dummkopf, typisch für die Rückbildung vom Kult des wirkend gegenwärtigen Nationalgottes, dieses Inbegriffs der metaphysi­schen Volkskraft, zur Predigt eines abstrakten und allgemeinmenschlichen Gottes im Himmel, von der Volksreligion also zur Allerweltsreligion. Des zum Beweise brauchen wir nur die skandalöse Rede nachzulesen, die er [Salomo] nach Fertigstellung des ersten Tempels hielt, und worin er fragte: ›Kann denn Gott bei den Menschen auf Erden wohnen?‹ — also ob nicht Israels ganze und alleinige Aufgabe darin bestünde, Gott eine Wohnung, ein Zelt zu schaffen und mit allen Mitteln für eine ständige Anwesenheit zu sorgen.« Thomas Mann: Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde. Stockholmer Gesamtausgabe der Werke von Thomas Mann. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1960, S. 374f. 

  5. Johannes Hösles Kindheitserinnerungen Vor aller Zeit, aus der Folge VIII von »Religio« zitierte, illustrieren den Reichtum exemplarisch für ein Allgäuer Dorf der 1930er Jahre, wenngleich zuweilen in leicht distanziert-ironisierender Form. Der Klappentext vermerkt, daß die Bewohner von Hösles Heimatort »im katholischen Kosmos leben wie der Grieche in seinem Mythos — in tiefer Gottgläubigkeit, die nie hinterfragt wird«, wodurch sie be­fähigt sind, geborgen »in der Kugel« zu leben, was der heutigen Zeit — der Klappentext lässt es zwischen den Zeilen durchscheinen — ein Dorn im Auge ist. Selbst ein so reflek­tiert-liebevoller Blick auf diese Gottgläubigkeit, wie sie Hösle an den Tag legt, ist für viele Zeitgenossen ein zu wenig an fundamentaler Kritik an jenen Bedrängnissen, die sie in einer kirchlich-religiösen Sozialisation einzig zu sehen bereit sind. Daß jeder progressiv sich Dünkende meint, bedrückende Lasten und Zwänge durch die Religion auch dort wittern zu dürfen, wo Gewährsleute das Gegenteil als ihre Wahrnehmung angeben, dafür steht als ein Beispiel unter vielen: Susanne Mutschler: Ländliche Kindheit in Lebenserin­nerungen. Familien- und Kinderleben in einem württembergischen Arbeiterbauerndorf an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Band 64. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V., 1985 (zugl. Dissertation Universität Tübingen 1983), S. 78. Der sonntägliche Kirchgang, von dem ein Befragter erzählt, daß er für ihn als Kind »kein Zwang« gewesen sei, wird von der Volkskundlerin kontrafaktisch und nahezu zwanghaft ins Gegenteil umgedeutet, als lediglich durch Strafandrohung erreichter und derart internalisierter »Zwangsakt«, so daß ihn der Gezwungene nicht mehr als Zwang empfunden hätte. 

  6. Ratzinger: Salz der Erde (1996/2006), wie Anm. 2, S. 18f. 

  7. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 17f. 

  8. Ebd., S. 32. 

  9. Ebd., S. 32f. — Mit der Liturgiereform, die in den alten Kirchen den traditionellen Altar leerräumte und entfunktionalisierte, stattdessen mit dem »Volksaltar« vorne im Chorraum etwas anderes schuf, entfallen die Stufen, die vom Chor emporführen zum Altar. In neu erbauten Kirchenräumen gibt es dann oft auch keine Stufen mehr, die vom Kirchenschiff zum Chor führen; ja vielfach ist in moderner Kirchenhallenarchitektur ein Chor als solcher nicht einmal mehr zu erkennen. Und, um das Maß an Entsymbolisierung voll zu machen: Bei manchem modernen Sakralbau führen nicht einmal mehr Stufen von der Straße hin­auf zur Kirche — man betritt hier das Haus Gottes ebenerdig, sozusagen als demokratisch Gleicher mit dem Höchsten. 

  10. Bernardin Goebel: Auf sieben Stufen zum Altar. Besinnung auf die Weiheliturgie. Pustet: Regensburg, 1962. 

  11. Zitiert nach: Nikolaus Lobkowicz: Was brachte uns das Konzil? Würzburg: Neumann, 1986, S. 10 Anm. 1 (die auf S. 9 beginnt). — Wie sehr weiterhin die Stellung des Klerus bis hinauf zum Bischofsamt von interessierter Seite (zum Teil von Bischöfen selbst!) unterminiert wird zugunsten einer sogenannten »Demokratisierung« der Kirche und mit dem Ziel, Laien auf Kosten des Klerus eine diesen nicht gebührende Einflussmacht auf Fragen von Liturgie und Lehre zu verschaffen, zeigt ein mediales Fallbeispiel ebenso eindrücklich wie deprimierend: katholisch.de, das »Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutsch­land«, informiert im Auftrag der Deutschen Bischofs­konferenz Gläubige und Ungläubige über die Sicht des deutschen Funktionärskatholizis­mus auf Kirche und Welt, wobei das Portal inzwischen von nicht wenigen Katho­liken mit der Wortschöpfung »häretisch.de« verballhornt wird. Kann diese harte Kritik verwundern, nachdem die Redaktion dazu übergegangen ist, in der Diskussion über den künftigen Weg der Kirche, die in Deutschland mit dem aggressiv-progressiven Synodalen Weg ihre — so muß man sagen — antikatholische Speerspitze gefunden hat, nichts weniger als eine innerkirchliche »Revolution« für geboten zu halten und Enttäuschung zu artikulieren, wenn der »Umsturz der bisherigen kirchlichen Verhältnisse« — wie nach Meinung dieses Portals in den Schlußdokumenten der Weltsynode — ausbleibt? katholisch.de wünscht sich die Kirche »partizipatorischer« und plädiert dafür, »Möglichkeiten für die Ausübung eines Laienamtes aus[zu]weiten«, denn »ohne Veränderungen« würden sich »Mitglieder des Volkes Gottes entfremden« — letzteres klingt verdächtig nach der orwellesken Formulierung aus dem grünen Wahlkampf des Jahres 2021: »Veränderung schafft Halt«. Wenn nun aber Weltkirche und Papst diese Revolution verweigern, tatsächlich immer noch mehr am Halt denn an Revolution festhalten wollen, dann feiert katholisch.de eben den Limburger Bischof für seinen Alleingang bei der »synodalen Revolution«; ebenjenen Limburger Bischof, der in Person von Georg Bätzing Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, der Herausgeberin des ihn feiernden Presseportals, und einer der lautesten Befürworter des deutschen Sonderwegs Synodaler Weg, den in der Weltkirche niemand mitgehen will, wie es die Beschlüsse der Weltsynode zum Bedauern von katho­lisch.de und dessen Herausgeber Bätzing (siehe oben) soeben wieder gezeigt haben. Wenn nun aber das Argument, nur Veränderungen würden die Gläubigen in der Kirche halten und neue Gläubige anziehen, valide wäre, müßten heute, nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums (deren Reformer auch schon argumentiert hatten, nur mit Veränderungen im Sinne von Verheutigungen könnten die Menschen der Moderne weiterhin erreicht werden), mehr Katholiken die Gottesdienste besuchen als zuvor. Allerdings hat die Liturgiereform die Gläubigen nicht in Massen angezogen, sondern vielmehr in Scharen aus den Gottesdiensten weggetrieben; war es unmittelbar vor dem Zweiten Vatikanum noch jeder zweite deutsche Katholik, der am Sonntag die Heilige Messe besuchte, so lautet die in Zahlen zu messende »Erfolgsbilanz« der Reformer im Jahr 2025 für Deutschland: 5 Prozent Kirchgänger unter den Katholiken, ein Zehntel dessen, was vor den Reformen Bestand hatte. 

  12. Lobkowicz: Konzil (1986), wie Anm. 11, S. 10 Anm. 1. 

  13. Ratzinger: Gott und die Welt (2000/2006), wie Anm. 2, S. 652f. 

  14. In der Karwoche sind die Altäre und Kreuze in den Kirchen zum Zeichen der Trauer über den Kreuzestod des Herrn verhangen, der Kirchenraum selbst in Finsternis gehüllt, wie es Johannes Hösle für seinen Allgäuer Heimatort aus den 1930er Jahren schildert: »Die Altäre waren während der ganzen Karwoche mit schwarzen Tüchern verhüllt, die hohen Fenster im Chor mit schwarzen Vorhängen verdunkelt.« Hösle berichtet dann aus der Perspektive eines Buben, wie »alle gespannt darauf [warteten], ob es dem Mesmer Schöb, der vorher auf das Gewölbe unterm Dach hinaufgestiegen war, gelingen würde, die Vorhänge alle gleichzeitig und genau im richtigen Augenblick, wenn Oberlehrer Thuma für alle mit vollen Registern auf der Orgel den Einsatz zu ›Christus ist erstanden‹ gab, aus ihrer Verknotung zu lösen, und es dazu auch noch fertig bringen würde, daß alle gleichzeitig auf den Boden fielen.« Johannes Hösle: Vor aller Zeit. Geschichte einer Kindheit. München: C.H. Beck, 2000, ²2001, S. 47. Es ist dies, bei allem verschmitztem Bubenwitz, mit der Hösle davon erzählt, tatsächlich ein letzter rudimentärer Nachklang dessen, was die Barockzeit, vor allem in gegenreformatorisch-jesuitischem Bemühen um Bildhaftigkeit von Glaubensinhalten, als theatrum sacrum liebte und wirkmächtig zu inszenieren verstand. Zu dieser theatralen Verbildlichung von Heilsgeschehen gehörte auch, daß an Christi Himmelfahrt eine Statue des Auferstandenen durch eine Luke in der Kirchendecke emporschwebte (im schwäbischen Horgau nach einem Kreuzgang durch Dorf und Fluren, bei denen der Auferstandene mitgetragen wurde) und zu Pfingsten »die sinnliche Darstellung des heiligen Geistes durch eine herabgelassene Taube« — beides durch Kurpfalzbayerische Verordnung vom Februar 1804 verboten als »unanständige Schauspiele«, »welche die Würde unserer heiligen Religion entehren«. Walter Pötzl: Brauchtum. Von der Martinsgans zum Leonhardiritt, von der Wiege bis zur Bahre. Der Landkreis Augsburg, Band 7. Augsburg, 1999, S. 148f. 

  15. Was die Frau tat, hat tatsächlich einen liturgischen Hintergrund, der sowohl ihr selbst als auch der Gemeinde, die bei ihrem Tun zusehen mußte, wohl nicht bewußt gewesen sein dürfte: »In der alten Liturgie«, so schreibt mit dem freudianischen Psychoanalytiker und habermasianischen Soziologen Alfred Lorenzer (1922-2002) ausgerechnet ein erklär­termaßen atheistischer, marxistischer Religionskritiker mit verständnisvoller Wärme für die sakramentale Symbolik, wurde die Situation eines leergeräumten Altars »einmal im Jahr, am Gründonnerstag, inszeniert, um die Beraubung Christi und seine Entkleidung durch die Landsknechte vor der Kreuzigung zu symbolisieren.« Es ist, so Lorenzer, »ein eindrucksvolles Bild«: »Nach der Gründonnerstagsmesse wurde der Altar abgeräumt. Die Blumen, die Altartücher, die Silberleuchter wurden weggenommen. […] Die Entblößung des Altars war ein Darstellungsmittel für Trauer und Verzweiflung, mit einer Wirkung, die sich nicht platter Allegorik verdankte, sondern durch die Entleerung des Raummittel­punktes [sprich: des Altars] erzeugt wurde.« Alfred Lorenzer: Das Konzil der Buchhalter. Die Zerstörung der Sinnlichkeit. Eine Religionskritik. Frankfurt am Main: Europäische Ver­lagsanstalt, 1981, S. 204. — Die Frau, die vor der Karfreitagsliturgie den Altar abräumte, dürfte die Anweisung dazu vom Pfarrer erhalten haben, der den Altar von der Sakristei aus sehen konnte. Daß er dies nicht selbst tat nach dem Gründonnerstagsgottesdienst, liegt daran, daß in jener Kirche ein solcher gar nicht stattgefunden hat, weil moderne Pfarrsprengel so groß geworden sind, daß die Pfarrer von Ort zu Ort eilen müssen, um wenigstens Restbestände des liturgischen Kalenders in den einzelnen Kirchengemeinden aufrechtzuerhalten. Besagter Pfarrer, ein indischer Pater, hatte zu Ostern 2025 zwei Karfreitagsandachten und zwei Auferstehungsfeiern zu zelebrieren, an vier verschiedenen Orten. — Immerhin waren in dieser Kirche am Karfreitag die Kerzenleuchter auf den Seitenaltären niedergelegt, weil in der Karwoche zum Zeichen der Trauer keine Kerzen entzündet werden, bis in der Osternacht dies neu geschieht an der Flamme der Oster­kerze. 

  16. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 59-61, hier S. 59. 

  17. Leopold Schmidt: Gestaltheiligkeit im bäuerlichen Arbeitsmythos. Studien zu den Ernteschnittgeräten und ihre Stellung im europäischen Volksglauben und Volksbrauch. Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde, Band 1. Wien 1952. 

  18. Genau dies, das stille, einsame Gebet in der Kirche, das »Sprechen mit dem verborge­nen Herrn im Tabernakel«, wie es Lobkowicz nennt, war lange Zeit ein Wesensmerkmal der Gläubigkeit. Nikolaus Prinz von Lobkowicz, ein thomistisch geprägter Philosoph, in den Stürmen von Studentenrevolte und unseliger Universitätsreform Präsident der Münchner Universität, in den 1980er Jahren Präsident der Katholischen Universität Eichstätt, skizziert die Glaubenswirklichkeit, »wie sie vor dem Konzil aussah«: Er erinnert sich an »eine zutiefst fromme Kirche«, mit einer »personal betende[n] Gemeinde«, für deren Gläubige es »selbstverständlich« war, »daß zu ihrem Christsein ein persönlicher Bezug und ein persönliches Gespräch mit dem Herrn gehörte. Man betete häufig und gern um den Schutz der Muttergottes, man verehrte die Heiligen. Selbst Akademiker, ja Intellektuelle schämten sich nicht, mit einem Rosenkranz in der Tasche erwischt zu werden.« Dies alles hatte sich bereits 1986, als Lobkowicz Bilanz zieht über die Wirkung des Konzils, gravierend verändert, wie insbesondere sein Stoßgebet bezeugt, er hoffe, daß »die christlichen Akademiker die Kraft aufbringen können, dem Strom der Beter beizutreten«. Lobkowicz: Konzil (1986), wie Anm. 11, S. 17f., S. 126. 

  19. Eleonore von La Chevallerie: Le Fort, Gertrud Freiin von. Neue Deutsche Biographie 14, 1985, S. 57-59. 

  20. Ernst Troeltsch: Glaubenslehre. Nach Heidelberger Vorlesungen aus den Jahren 1911 und 1912. Herausgegeben von Gertrud von le Fort. München und Leipzig: Duncker & Humblot, 1925; Neuausgabe mit einem Vorwort von Marta Troeltsch: ebd., 2013. 

  21. Gertrud von le Fort: Hymnen an die Kirche. München: Ehrenwirth, 1924; Neuausgabe: Würzburg: Echter, 2014; hier zitiert nach: Ehrenwirth, München, 5. Auflage, 1948, S. 9f. 

  22. Ebd., S. 28. 

  23. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 38. 

  24. Ganz im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo die Kerze nicht nur profane Lichtquelle in den Häusern war, sondern religiöses Heilmittel, das den Menschen auf seinem Lebensweg begleitete. Besonders deutlich wird diese Vorstellung am Lichtmeßtag, am 2. Februar, dem traditionellen Ende des Weihnachtsfestkreises (zudem der Tag des Dienstboten­wechsels auf den Bauernhöfen), um dessen liturgische Riten sich auch volksfromme Bräuche entwickelt haben: »Vierzig Tage nach der Geburt Christi wird zur Erinnerung an den Besuch Marias im Tempel [mit der rituell gebotenen Reinigung der Wöchnerin] das Fest der Lichterweihe gefeiert und Lichter werden seither geweiht in den katholischen Gegenden, in denen die Marienverehrung ein wesentliches Anliegen der Gläubigen ist. Zu Lichtmeß geht man in die Kirche, aber auch zu Hause werden zu Ehren der armen Seelen Lichtmeßandachten abgehalten. Nach dem Volksglauben ist das Lichtmeßwachs gut gegen Kopf- und Halsschmerzen, wenn ein Stück davon gegessen wird. An Lichtmeß werden Wetterkerzen gegen Hagel und Gewitter geweiht.« Rattelmüller: Festliches Jahr (1953), wie Anm. 3, S. 29 (Text von Margarete Baur-Heinhold), Abb. S. 56 (eine Bäuerin aus Ohlstadt richtet einen Korb mit Kerzen, die sie in der Kirche wird weihen lassen). — Wie es Rattelmüllers Fotografie für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert, wurden schon hundert Jahre zuvor, 1861, in meiner Heimat nach dem Bericht eines Amtsarztes an Lichtmeß Wachskerzen geweiht, als Heilmittel-Vorrat für das ganze Jahr: »Die Kerzen werden bei Gewittern, beim Versehen von Kranken, bei Sterbenden ange­brannt, auch jedes Viehstück bekommt 3 Tropfen Wachs aufs Brot.« Pötzl: Brauchtum (1999), wie Anm. 14, S. 70. 

  25. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 43. 

  26. Den Zusammenhang von (Herd)Feuer und Brot, das darin gebacken wird, zeigt ein heute weitgehend vergessener Brauch, der bei den Zisterzienserinnen des Klosters Oberschönenfeld noch lebendig ist: Am 5. Februar, am Festtag der Heiligen Agatha (auf diesen Namen ist meine Großmutter getauft), wird »Brot gesegnet und beim Frühstück ausgeteilt«. Später am Tag besprengt die Sakristanin »alle Feuerstellen im Haus mit Weihwasser«, mit der Bitte, sie »von den Gefahren des Feuers [zu] befreien«. Warum dieser Segen auf die Fürsprache der Heiligen Agatha zurückgeht, erklärt die Legende: Als Märtyrerin auf glühenden Kohlen gefoltert und gestorben, soll der Schleier der Geweihten Jungfrau, mit dem die Bewohner ihrer sizilianischen Heimatstadt Catania dem feuerspei­enden Ätna entgegenzogen, den Lavastrom angehalten und damit die Stadt vor Unglück bewahrt haben. So kam es, daß lange Zeit an allen Herden, Öfen und Kaminen des Oberschönenfelder Klosters die Segensformel um den Schutz der Heiligen Agatha vor Feuersbrünsten angeschrieben stand: Pötzl: Brauchtum (1999), wie Anm. 14, S. 73. Mit den Broten, die geweiht »gegen Feuer ›wirksam‹« gedacht sind, hat es eine merkwürdige Bewandnis: Sie sind — wie auch immer — aus den Brüsten der Märtyrerin »entstanden«, im Gedenken daran, daß diese ihr in der passio abgeschnitten wurden: Leopold Kretzen­­bacher: Kalvarienberg-Andacht und Osternacht im steirischen Mürztal. In: ders.: Ethno­logia Europaea. Studienwanderungen und Erlebnisse auf volkskundlicher Feldforschung im Alleingang. München: Trofenik, 1986, S. 34-40, hier S. 39 Anm. 6. 

  27. Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen. Berlin: Aufbau, 6. Auflage, 2007: Als die alte Mutter Nimptsch krank darniederliegt, entzündet ihre Ziehtochter Lene, die beim Umzug schon dafür gesorgt hatte, daß die Mutter nicht ohne »ihre Herdstelle« auskommen muss (S. 116), in eben jenem Herd, der im Hause Nimptsch ansonsten nie kalt wurde, ein Feuer: »Als sie wieder ans Bett kam, lächelte die Alte zufrieden und sagte: ›Ja, Lene, heiß ist es. Aber du weißt ja, ich muß es immer sehn. Und wenn ich es nicht sehe, dann denk ich, es ist alles aus und kein Leben und kein Funke mehr. Und man hat doch so seine Angst hier …‹ Und dabei wies sie nach Brust und Herz.« (S. 128). 

  28. Die Schwelle zur Moderne, das ist — man hat das inzwischen komplett vergessen — eine Welt im Umbruch, die jene, die aus der alten Welt kamen, nicht verstanden, nicht verstehen konnten: Wie sollte jemand wie meine Großmutter, die Wärme in ihre Stube brachte, indem sie einen Holzherd heizte, begreifen, was ein »Smart Home« ist, dem man, noch bevor man die Wohnung betritt, mittels ins Telefon gesprochenem Befehl (»Alexa, heize das Wohnzimmer auf XY Grad«) anweist, eine bestimmte Raumtemperatur über Sensoren herzustellen, die man im Raum überhaupt nicht sehen kann? — Meine Großmutter stammt aus dem Gastwirtsanwesen eines winzigen schwäbischen Dorfes. An diesem Anwesen prangt heute noch eine Email-Tafel mit Aufschrift »Fernsprecher«. Der Cousin, der die längst aufgegebene Wirtschaft bewohnt, erzählte mir die Geschichte, die ihm seine Mutter berichtete, wie sie als Kind losgeschickt wurde, denjenigen aus dem Dorf ans Telefon in der Wirtsstube zu holen, nach dem ein Anrufer gerade verlangt hat. Wie sollte jemand, dem schon die Technik eines Fernsprechers wie Zauberei anmutet, begreifen, daß es Kühlschränke gibt, die selbsttätig einkaufen, ohne daß dazu jemand das Haus verlassen muss? — Eine weitere Geschichte von der Schwelle erzählte nicht nur mein Vater, sie kursiert in Varianten unter vielen, die jene Schwelle erlebten: »Wie das erste Freibad im Fernsehen gezeigt wurde, das beheizt war im Winter, da haben Leute drin gebadet und außen herum war Schnee, da haben wir gesagt: ›Das ist ja Wahnsinn‹.« Die neue Zeit kam, während die alte noch gegenwärtig war: »Der Großvater hat in einem eiskalten Schlaf­zimmer geschlafen, wo im Winter das Bettgestell gefrostet war. Das hat man mit Bettflaschen aufgewärmt.« Man schlief neben dem Stall, weil die Kühe etwas Wärme abgaben, während nicht nur Freibäder beheizt, sondern auch die Küchen mit Geräten aller Art elektrifiziert und schließlich digitalisiert wurden. Für einen Gott war nun kein Platz mehr. Er wurde auch nicht mehr gebraucht. Wo einst der Herrgottswinkel war, waltet nun Alexa. 

  29. Überhaupt hat das geweihte Osterfeuer, an dem die Osterkerze entzündet wird, eine hohe symbolische Bedeutung; an diesem Feuer haben sich volksfromme Bräuche in Fülle herausgebildet: Aus dem schwäbischen Steinekirch liegen Fotografien von der Feuer­weihe am noch dunklen Karsamstagmorgen aus dem Jahr 1963 vor, wo Buben an Drähten befestigte Holzscheite ins Feuer halten: Pötzl: Brauchtum (1999), wie Anm. 14, S. 120 (Abb.). In dieser meiner Heimatgegend hat sich dieser Brauch bis heute erhalten, wie ich 2025 erleben durfte, wenngleich es nur noch einzelne sind, die ihn pflegen und von der versprochenen Schutzwirkung wissen und an sie glauben. Der »Weihprügel«, wie man diese angebrannten Holzscheite recht profan nannte, diente im Haus zum Schutz vor Blitzschlag, »sei es, daß man ihn unter den First steckte oder bei aufziehendem Gewitter Stücke von ihm im Herdfeuer verbrannte«: Pötzl: Brauchtum (1999), wie Anm. 14, S. 119. — In Oberbayern, etwa in Kohlgrub, waren die Buben schon vor den Oster­tagen mit der Vorbereitung eines diesbezüglichen Brauchs beschäftigt: Sie sammeln eifrig Baumschwämme, die sie in das geweihte Osterfeuer legen. Anschließend »tragen [sie] die glimmenden Schwämme zu den Höfen, um denen das heilige Feuer zu bringen, die nicht selbst einen Klotz im Feuer hatten. Stundenweit laufen die Buben damit bis zu den entlegensten Höfen.« Für dieses »Feuerlaufen« erhalten die Buben Eier als Gegen­gabe: Rattelmüller: Festliches Jahr (1953), wie Anm. 3, S. 35 (Text von Margarete Baur-Heinhold), Abb. S. 73 (Feuerlaufen). 

  30. Leo N. Tolstoi: Krieg und Frieden. Übersetzt von Werner Bergengruen. Berlin und Darmstadt: Deutsche Buch-Gemeinschaft, 1957, S. 417. 

  31. Ebd., S. 416. 

  32. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 39. — Es gibt auch Osterfeuer, die im Zwischenbereich von liturgischer Handlung, volksfrommer Anlehnung an den kirchlichen Ritus und weltlicher Osterfreude anzusiedeln sind: An Ostern 1950 ist der Volkskundler Leopold Kretzenbacher bei einem steirischen Bergbauern zu Gast, eingeladen, mit diesem einen Brauch zu begehen, den er als »Osternacht-Schießen« bezeichnet: Kretzenbacher: Osternacht (1986), wie Anm. 26, S. 38. Der Bauer hat schwerste schmiedeeiserne Geschütze auf den Berg bei seinem Hof geschleppt, die er liebevoll als seine »Apostel« bezeichnet, zwölf an der Zahl. Der erste Apostel wird in der Mitte der Osternacht ge­zündet, nachdem der Bauer sich bekreuzigt hat — »er heißt auch mich ein Kreuz zu schlagen«, so der ihn begleitende Volkskundler, der auch drei Böller zünden darf; »ihr Donner rollte als Antwort auf viele in der weiten Runde aufflammende ›Frohfeuer‹ und das Dröhnen der ›Böller‹ von allen Bergen«. Den letzten und größten Böller, den »Petrus«, entzündet der Bauer wieder selber, »sichtlich vor Freude strahlend, und ließ ihn über die sonst so stille Nachtlandschaft hinaus dröhnen. Dann reicht mir der Lercherbauer seine Hand zum Gruß: ›Frohe Ostern! Gelobt sei Jesus Christus! In Ewigkeit, Amen!‹ Wohl eine halbe Stunde saßen wir noch am Waldrand beisammen in der kühlen Frühlingsnacht und schauten in die Weite, wo die Feuer verglommen wie das unsere.« Kretzenbacher schließt seine Erzählung mit den Sätzen: »Feldforschung in meiner steirischen Heimat. Sie hat mich oft sehr glücklich gemacht.« Wann zuletzt hat man einen akademischen Forscher so etwas sagen hören? Wird man aus solchem Munde solches je wieder vernehmen? 

  33. Ratzinger: Salz der Erde (1996/2006), wie Anm. 2, S. 45. 

  34. Ebd. 

  35. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 41. 

  36. Eine Aufnahme um 1950 zeigt, wie der Priester im oberbayerischen Nantesbuch am Karsamstag neben dem Taufstein der Kirche in einem Holzschaff das Wasser weiht, indem er die Osterkerze eintaucht. Deutlich zu sehen sind die »Nägel« aus rotem Wachs, die der Priester bei der Kerzenweihe am Osterfeuer in Kreuzform in den Schaft der Kerze drückt; diese Nägel gehören zu jenen Arma Christi, den Leidenswerkzeugen, die oben im Text erwähnt wurden. Rattelmüller: Festliches Jahr (1953), wie Anm. 3, S. 72 (Abb.), S. 177 (Erläuterung zur Fotografie). — Die Arma Christi, die »Waffen«, »mit denen Christus die Erlösung gegen Tod und Teufel zu unserem Heil erkämpft hat« (Leopold Kretzen­bacher: Kreuzerhöhung und Nachtliturgie auf dem Heiligen Berge. In: ders.: Ethnologia Europaea [1986], wie Anm. 26, S. 56), zu ihnen gehören (wenngleich fast nie alle zusammen ins Bild gesetzt werden): Fesseln von der Gefangennahme; Geißelsäule, Rutenbündel oder Peitsche als Instrumente der Geißelung; die Dornenkrone, die man dem König der Juden aufs Haupt drückte; ein Hahn, der bei Petrus’ Verleugnung des Herrn dreimal krähte; Silberlinge und Geldbeutel als Judas’ Verräterlohn; Nägel, Ham­mer, Zange, die bei der Kreuzigung eingesetzt wurden; Würfel, die belegen, daß die Soldaten um den Leibmantel Jesu, den sie nicht zerteilen wollten, das Los geworfen haben; der Ysopzweig mit aufgestecktem Schwamm, der in Essig getränkt dem Ge­kreuzigten, der sagt »Mich dürstet!«, gereicht wird; eine Lanze, die man in Jesu Seite gestoßen hat, um zu sehen, ob er schon tot wäre; die Leiter, mit Hilfe derer seine Jünger den toten Christus vom Kreuz abnahmen. Sind diese Leidenswerkzeuge im Zusammen­hang mit einer Kreuzigungsdarstellung zu sehen, erschließt sich ihr Sinn zumindest jenen, die noch Kenntnisse der Passionsgeschichte ihr Eigen nennen. Werden diese Symbol-Zeichen aber ohne Kreuzesszene gezeigt, bleiben sie für die meisten Betrachter Symbole ohne Sinngehalt. Ein Beispiel für Letzteres: In der schwäbischen Wallfahrts­kirche Heilig Kreuz in Mindelzell verehren die Gläubigen seit der Barockzeit eine Kreuz­reliquie, sprich: ein Stück Holz, von dem man glaubt, daß es vom Kreuz Christi stammt, oder — in den mehreren Fällen — an einem Holzstück berührt wurde, das man für eine wahre Reliquie vom Golgatha-Kreuz hält. Als wir am Karsamstagnachmittag auf dem dortigen Friedhof eine Frau, die ihr Familiengrab zu Ostern herrichtet, danach fragen, stellt sich heraus, daß wir auf die Mesnerin getroffen sind. Sie lässt uns — froh darüber, daß jemand Interesse an einem Heiltum zeigt, das in der kirchlichen Gegenwart völlig außer Mode gekommen ist — die Monstranz sehen, in welche die Reliquie gefasst ist, eingebettet in ein kleines Silbergehäuse in Kreuzform, auf deren Rückseite einige der Arma-Christi-Symbole als winzige Miniatur-Punzen zu sehen sind. Neben dem Altar, auf welchem die Monstranz steht, ist schon ein riesige Blechwanne mit Wasser abgestellt, für deren plumpe Form sich die Mesnerin meint entschuldigen zu müssen — es ist das Was­ser, daß in wenigen Stunden, in der Osternacht, geweiht wird und für das man leider keinen würdigeren Behälter gefunden habe. So symbolisieren in der Kirche von Mindelzell an jenem Karsamstag die unscheinbaren Arma Christi und die — für Außenstehende wohl rätselhafte, in einem barocken Kirchenraum deplatziert wirkende — Wasserwanne aufs eindringlichste die heilsgeschichtlichen Zusammenhänge von Christ Leiden und Tod, seiner Auferstehung und der Aufnahme der Gläubigen in seine Kirche durch die Taufe im geweihten Wasser. 

  37. Wer den Kinofilm »Die große Stille« (2005) gesehen hat, jenes fast dreistündige Dokumentarstück über das Leben der Kartäuser-Mönche in der Grande Chartreuse bei Grenoble, einem strengen Schweigekloster, ohne Filmmusik, mit Bildern, die schier endlos lange ohne Schnitt stehen bleiben dürfen (welche Wohltat in der unerträglichen Zappel-Ästhetik unserer Zeit), der dürfte eine Szene daraus nie mehr vergessen haben, die in einem modernen Kinosaal einer deutschen Großstadt nach der Jahrtausendwende so deplaziert wirkt wie kaum eine andere vorstellbare Leinwandszene: Der minutenlange Blick auf ein Weihwasserbecken, in das ein Mönch nach dem anderen vor seinem Eintritt in die Klosterkirche einen Finger taucht, um sich mit dem geweihten Wasser zum Kreuz­zeichen zu besprengen. 

  38. In einer der eindrücklichsten Passagen von Martin Mosebachs »Häresie der Formlosig­keit« beschreibt der Schriftsteller (was er schon vor der Erstveröffentlichung erwähnter Streitschrift erzählt hatte), wie ein englischer Priester auf der Insel Capri nach einem Gotteshaus sucht, in dem er täglich die Heilige Messe zelebrieren könne. Man bietet ihm eine kleine Kapelle an jenem Ort an, an dem die Villa Jovis, ein Prunkpalast des römischen Kaisers Tiberius, stand. Alles in diesem katastrophal verwahrlosten Kirchenraum muss der Priester erst wieder instand setzen und heiligen, bevor daran zu denken ist, darin einen Gottesdienst zu feiern — die verdreckten Blumenvasen, die modrigen Altartücher, das verbogene Kruzifix. Am Ende seiner Bemühungen erfolgt diese Szene: »Der Priester legte eine fleckige violette Satinstola um, dann leerte er etwas Wasser, das er in einer Plastikflasche mitgebracht hatte, in einen kleinen Topf, begann zu beten, fügte Salz hinzu, machte die Segensgeste und goß das Wasser in die kleinen Marmormuscheln [die Weihwasserbecken] neben dem Eingang, so daß man glauben konnte, den Stein in einer Art Erwachen aufseufzen zu hören.« Ratzinger: Gott und die Welt (2000/2006), wie Anm. 2, S. 655f. Kardinal Joseph Ratzinger, dem der Süddeutsche-Journalist Peter Seewald diese Geschichte im Rahmen des Kapitels »Liturgie« erzählt, mit der Schlussbemerkung, das, was der Priester hier getan hat, wäre »ein Vorbereiten und Abstecken des Heiligen Raumes« gewesen, antwortet darauf, daß man an dieser Geschichte sehen könne, wie sehr »die äußere und innere Bereitung zusammengehören« (S. 656). Romano Guardini, das haben wir bei der Betrachtung des Kreuzzeichens gesehen, erachtet ebenfalls (vor)bereitende »Sammlung« als eine Voraussetzung für gelingende Andacht, was er in seiner »Vorschule des Betens« in einem eigenen Kapitel »Die Sammlung« (als »Vorberei­tung des Gebets«) noch einmal darlegt: Wie der Mensch, der sich zu Andacht und Gebet rüstet, sich aus einem Zustand von »Zerstreutheit« (wie die Einrichtung der Kapelle auf Capri zerstreut war, so ist auch der Mensch im Alltag zu oft zerstreut) in eine Verfassung von »Ruhe« und »Ordnung« zu versetzen hat: Romano Guardini: Vorschule des Betens. Mainz: Matthias Grünewald, ²1948 (Erstausgabe 1943), S. 24-31. 

  39. Auch jenseits des coronaren Irrsinns, der auch (und manchmal, wie es schien, gar vor allem) die Kirchen befallen hatte, ist die unbeholfene Zustellung von hochartifiziellen, liturgisch geprägten Kirchenräumen mit ihren heilsgeschichtlichen Bildprogrammen, im schwäbischen und bayerischen Raum vor allem in Barock-Anmutung, mit Stellagen aller Art für jeden halbwegs sensiblen Kirchenbesucher ein hochschauerliches Missvergnügen. Kaum ein Gotteshaus, in dem inzwischen nicht wohlmeinende Pfarrer, vielfach wohl auch Laien, eine Pinnwand an den Eingang, manchmal direkt vor einen Seitenaltar oder sogar in der Blickachse vom Kirchenschiff zum Chor aufgebaut haben, worauf Kinderzeichungen zur Oster- oder Weihnachtszeit gepinnt sind, gerne auch die Erstkommunionkinder der Pfarrei vorgestellt werden; dazu kommen manchen Orts noch Variationen einer Art Bautafel, auf denen in graphisch-heimwerkender Bastelarbeit (es ist der Geist jenes »Zurechtbastelns«, den Joseph Ratzinger hinsichtlich des Herumwerkelns an der Liturgie beklagt hat, siehe Anm. 13) auf die Instandhaltung der Kirchenorgel hingewiesen wird, wozu man Spenden einsammelt, wo die Renovierung des Kirchturms dokumentiert ist, mit allerhand aufgepappten Fotografien davon, udglm. Nun könnte man diese Praxis als rührende Anteilnahme der Berichterstattenden am Gemeindeleben und als Mitteilungs­bedürfnis davon sehen, wenn nicht diese modernistisch-bürokratisch-selbstgebastelten Schauerlichkeiten aus Baumarktmaterialien ganze Kirchenräume in ihrer Schönheit und Erhabenheit nahezu komplett zerstören würden und dem Betrachter jedes Mal bei solchem Anblick ein Schlag in die Magengrube versetzt würde. Ohne Schönheit aber ist es schwer, sich in die Anbetung des Höchsten zu versenken. 

  40. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 41. 

  41. In jedem Haus hing ein Weihwasserkesselchen neben der Tür, weil man jedes Mal, wenn man das Haus verließ, sich durch Bekreuzigung mit geweihtem Wasser Schutz erhoffte auf allen Wegen. Auch im Stall, der in vielen Bauernhäusern unter dem selben Dachfirst lag wie die Wohnräume, hing manchmal ein solches Weihwasserkesselchen, um den göttlichen Segen auch auf den Viehbestand auszudehnen, wie wir es beim Abbruch eines kleinen Söldhauses in meinem schwäbischen Heimatdorf dokumentieren konnten. — Grundsätzlich wurde auch das Vieh, mit dem der Bauer unter einem Dach lebte, in die volksreligiösen Schutzmechanismen eingebunden; auch die Kühe im Stall erhielten Anteil an den »Mitteln«, die — wie Guardini sagt — die »Gnadenkraft« Gottes vermitteln: Paul Rattelmüller dokumentierte im oberbayerischen Antdorf der frühen 1950er Jahre, wie die Bauersleute nach dem Kirchgang am Stephanstag, dem sogenannten zweiten Weihnachts­feiertag, an dem des ersten christlichen Märtyrers gedacht und die Salzweihe vollzogen wird, noch im Sonntagsstaat in den Stall gehen, um den Kühen vom geweihten Salz zu bringen: Rattelmüller: Festliches Jahr (1953), wie Anm. 3, Abb. S. 55. Doch damit nicht genug: »Die Bäuerin hebt das Salz auf, um dem Vieh beim ersten Austrieb und bei Krankheit davon zu geben.« (ebd., S. 55). — Geweihte Heilmittel, die auch dem Vieh zukommen, auch aus anderen Ritualen des Kirchenjahres sind sie bekannt: In einer volkskundlichen Umfrage an die bayerischen Amtsärzte aus dem Jahr 1861 schreibt der Berichterstatter aus meinem Heimatort, am Palmsonntag würde »jedes Stück Vieh 3 Palmkätzchen auf Brod« bekommen. Pötzl: Brauchtum (1999), wie Anm. 14, S. 98. 

  42. Alfred Lorenzer: Das Konzil der Buchhalter. Die Zerstörung der Sinnlichkeit. Eine Religionskritik. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1981, S. 179-212. — Zu Lorenzer einige kurze Bemerkungen in Anm. 15. Er spricht von der »Umpolung der Litur­gie von der sakramentalen Verehrung des Numinosen zur katechetischen Volksbelehrung« (S. 184), die er für verheerend hält, weil diese Reform »das Kunstwerk ›Ritual‹ von Grund auf zerschlagen und dadurch die Liturgie voll ideologisiert« habe: hin zu einer »Lehr­veranstaltung mit didaktisch eingerichteten Texten« (S. 192). Im übrigen, so urteilt mit Lorenzer ein Atheist, »konnte eine solche Reformoperation nur zur Zerstörung führen: Die Ambition, in ein kulturell gewachsenes Kunstwerk einzugreifen durch Beschlussfassung einer Versammlung von Funktionären, ist entweder naiv oder größenwahnsinnig […].« Der Einwand, »das Konzil habe in einer Art ›Kulturrevolution‹ Altes aufgelöst, um Neues an dessen Stelle zu setzen«, sei »absurd«. Denn da, »wo die Auflösung von Versteine­rungen notwendig und geschichtlich angemessen wäre, müsste diese sich von unten« sich entfalten, dürfte aber nicht »als ›Planung von oben‹«, als eine »intellektuelle Neugestal­tung«, implementiert werden, weil dies eine Situation hervorrufen würde, »wie wenn der Kulturausschuß einer Stadtverordnetenversammlung sich anmaßen würde, die Dramen fürs städtische Theater selbst zu verfassen.« (S. 192f.). 

  43. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 23. — Wie es der ungarische Präsident Viktor Orbán so richtig getroffen hat in der absurden Debatte darüber, ob die Spieler seiner ungarischen Nationalmannschaft bei einer Fußball-Europameisterschaft vor dem Anpfiff nicht zu knien hätten, wie es wertewestliche Moralhüter für angemessen hielten: Man kniet vor Gott, nicht aber aus Respekt vor Drogenkriminellen. 

  44. In Paul Rattelmüllers Brauchdokumentation aus der vorkonziliaren Zeit ist auf einem Bild noch eine solche Kniebank zu sehen, wo ein Hochzeitspaar am Samerberg vor dem Chor kniet: Rattelmüller: Festliches Jahr (1953), wie Anm. 3, S. 89. — Was wohl mit den entfernten Kniebänken geschah? Vermutlich daßelbe, was nach der Liturgiereform welt­weit mit Kirchenausstattung, die man nicht mehr zu brauchen meinte für den Novo Ordo, der nun einzuziehen sich anschickte, geschah (ich zitiere nicht Mosebach, der als Katholik ohnehin verdächtig ist, sondern mit Alfred Lorenzer einen Atheisten, der sich über den »Vandalismus« erregt): In Santo Domingo in Oaxaca, einer der schönsten Barockkirchen Mexikos, wurden in der Rosenkranzkapelle »die Altarkörper samt den Altarstufen [siehe zur Entfernung von Stufen aus dem Kirchenraum die Bemerkungen in Anm. 9] heraus­gerissen«: Lorenzer: Konzil (1981), wie Anm. 42, S. 190f. In Molango, ebenfalls Mexiko, »ist in einer der alten großen Kirchen der neuspanischen Renaissance der Baldachinhoch­altar entfernt worden. Er liegt in Stücken hinter der Kirche, wo die hölzernen Trümmer im Regen verrotten.« (S. 206). Was wurde an die Stelle des Ausrangierten gesetzt? Lorenzer zählt von ihm beobachtete Möglichkeiten auf, die die Liturgiereform bereits in den 1970er Jahren real geschaffen hat (nicht in Kirchenneubauten, wohlgemerkt, sondern in alten Kirchenräumen): Altäre von »der groben Unbefangenheit eines prähistorischen Opfer­steins« (S. 206), mit einer Anmutung, »wie in die Gallier im Asterix benutzen« (S. 203); Altarräume, die »verblüffend jenen ›rustikalen‹ Grillräumen ähneln, die man in den Ferien­hotels der Mittelmeerküste vorfindet« (S. 206). Besonders grotesk: Entweihte und ent­leerte Seitenaltäre, die aussehen »wie leergeräumte Bücherborde beim Wohnungsumzug« (S. 205) oder »wie verbrauchte Wohnzimmerkommoden im Trödlerladen« (S. 207) — letzteres in der klassizistischen Münchner Ludwigskirche, in der Romano Guardini als Studentenpfarrer der Universität die Messe gelesen und gepredigt hat. 

  45. Wie nahezu schockierend waren doch die Bilder vom Requiem für Papst Franziskus auf dem Petersplatz, bei denen Millionen Fernsehzuschauern schlagartig wieder bewußt geworden sein dürfte, daß man den Leib Christi auch mit dem Mund empfangen kann, wie es in mehreren Szenen, vor allem bei jungen Frauen (!), zu sehen war. Auch dieser Streit — Hand- oder Mundkommunion — ist durch die Liturgiereform vom Zaun gebrochen worden, und wird von den fortschrittlichen Modernisierern so geführt, daß Gläubige, die die Mundkommunion bevorzugen, schon fast als außerhalb des kirchlich Gebotenen stehend anzusehen sind, als unbelehrbar Ewiggestrige jedenfalls, ohne daß diese Fortschrittler auch nur einen Gedanken daran verschwenden, daß diese Form des Kommunionempfangs Jahrhunderte lang die Normalität war — aus guten Gründen, die wiederum mit Ehrfurcht vor dem Mysterium zu tun haben. 

  46. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 24-26. 

  47. Ebd., S. 26. 

  48. Ebd. — Selbst in der Statik von Fotografien von kirchlichen Prozessionen wird eindrücklich klar, wie sich würdiges Schreiten vollzieht, etwa in Paul Rattelmüllers Dokumentation einer Fronleichnamsprozession durch die Fluren um Benediktbeuern aus der Nachkriegszeit: Rattelmüller: Festliches Jahr (1953), wie Anm. 3, Abb. S. 104f.; dies vor allem im Kontrast zum ausgelassenen Zug der Burschen und Mädchen beim Mai­laufen, wo alles durcheinanderhüpft: Ebd., S. 94. 

  49. Walter Pötzl: Kirchengeschichte und Volksfrömmigkeit. Der Landkreis Augsburg, Band 5. Augsburg 1994, S. 346. 

  50. Ebd., S. 352f.: »Der breite und intensive Angriff weltlicher und geistlicher [!] Obrigkeit auf viele Positionen der Volksfrömmigkeit [etwa Verbote von Wallfahrten, Bittgängen und Passionsspielen; letzteres haben wir in der letzten Folge von ›Religio‹ erlebt] führte ins­gesamt nicht zum Erfolg. Die Aufklärung selbst bewirkte keine Zäsur in der Frömmigkeit des Volkes. Das Volk und mit ihm ein Teil der Pfarrgeistlichkeit bestand auf den lieb­gewordenen Gewohnheiten und hielt am volksfrommen Brauch fest […]. Das äußerte sich darin, daß man die Verbote nicht beachtete oder sie umging oder nach einiger Zeit der Beachtung wieder zu den alten Gewohnheiten zurückkehrte. […] Die unterdrückte Volks­frömmigkeit begehrte dann auf, als die schlimme Witterung 1816/1817 die Bauern in Bedrängnis brachte und die hohen Getreidepreise die Ernährung gefährdeten, da man diese Entwicklung als Strafe für die nicht mehr gehaltenen Kreuzgänge [worunter man Wallfahrten und Flurumgänge verstand] ansah. Die Regierung sah sich veranlaßt, da und dort wieder Wallfahrten und Bittprozessionen zu erlauben.« 

  51. Carl Amery: Die Wallfahrer. München: Süddeutscher Verlag, 1986; Neuausgabe: München: Luchterhand, 2002. 

  52. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 67. 

  53. Einmal im Kirchenjahr ist den Kirchenglocken liturgisches Schweigen geboten: Zwischen dem Gloria der Gründonnerstagsmesse und dem Gloria der Ostermesse verstummen sie in Trauer. Der Volksmund sagt, sie seien in dieser Zeit »nach Rom geflogen«. Um die Gläubigen in die Kirche zu rufen, gibt es dafür den Ratschenbrauch; es wurden allerhand Instrumentarien ersonnen, um mittels Holzklappern die Glockenzeichen zu ersetzen: Die Ministranten ziehen mit sogenannten Ratschen durchs Dorf, im ober­bayerischen Kohlgrub mit Handratschen (»Flügelratschen«), wo sich an einer Stange Holzlamellen drehen und beim Aufeinanderschlagen Lärm erzeugen: Rattelmüller: Fest­liches Jahr (1953), wie Anm. 3, Abb. S. 70; an anderen Orten auch mit Rätschkarren oder »klopfenden Karren«, auf denen ein hölzernes Schlagwerk montiert ist, dessen Hämmerchen mittels einer Kurbelwelle angetrieben werden, wie sie schon der Donau­wörther Sebastian Franck 1534 in seinem in Ulm verfassten »Weltbuch« erwähnt: Pötzl: Brauchtum (1999), wie Anm. 14, S. 102, mit Abb. 

  54. Adalbert Stifter: Bergkristall. In: ders.,: Ausgewählte Werke in einem Band. Heraus­gegeben von Alexander Heine. Bibliothek der Weltliteratur. Deutsche Klassiker. Stuttgart: Weltbild, ohne Jahr, S. 187. 

  55. Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, S. 66f. 

  56. Ebd., S. 73f. 

  57. Stefan Andres: Der Knabe im Brunnen. Roman. München: Piper, 1953, hier zitiert nach der Ausgabe: München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 9. Auflage, 1975, S. 111. 

  58. Als wir einmal in der Weihnachtszeit, die Dunkelheit war schon längst hereingebro­chen, eine dörfliche Wallfahrtskirche in meiner schwäbischen Heimat besuchten, um dort die Krippe zu sehen, kam gerade die Mesnerin mit Familienbesuch aus der Sakristei. Ihr Wort davon, sie hätten dort soeben den »Engel des Herrn« gebetet, stürzte mich, der ich mich gut katholisch sozialisiert und damit in den Frömmigkeits- und Gebetsformen des gläubigen Volkes bewandert wähnte, in tiefste Bestürzung — denn ich wußte nicht, wo­von die Frau sprach; getraute mich auch in meiner Beschämung nicht danach zu fragen und habe die Hintergründe später nachgelesen. Daß mir zwar das Gebetläuten in meiner Kindheit als Tageszeitangabe ein Begriff war, nicht aber das Wissen darum, was an Gebetsbrauch dahintersteht, geschweige denn, daß ich in dieses Beten hineinsozialisiert worden wäre — dies alles zeigt, wie rudimentär und lückenhaft bereits in den 1970er Jahren auf dem Dorf die volksfrommen Riten geworden waren, die über lange Zeit dem Menschen Tag und Leben in sinnvoller und sinnhafter Weise strukturierten. — Eben jene betende Mesnerin, die zusammen mit ihrem Mann die barocke Kirche zu Weihnachten in einer so liebevollen Hingabe mit zwei Christbäumen schmückt, daß dieses Tun als nichts anderes als ein Ausdruck »bildgewordene[r] Gebete« bezeichnet werden kann, wie dies von den in meditativer Handarbeit entstandenen Klosterarbeiten gesagt werden kann (Werner Schiedermair; Klosterarbeiten — Hinweise zu Begriff, Wesen, Herkunft, Verwen­dung und Herstellern. In: ders., Gilslind M. Ritz [Hrsg.]: Klosterarbeiten aus Schwaben. Schriftenreihe des Bezirks Schwaben, herausgegeben von Hans Frei, Band 5. Gesserts­hausen ²1993, S. 9-31, hier S. 14), ebenjene tiefgläubige und volksfromme Mesnerin sagte nach kurzem Gespräch über den Zustand von Land und Volk, es wäre nun doch an der Zeit, »daß er mal wieder herunterkommt und reinhaut«. 

  59. Es ist dies eine kirchlich rituelle, aber auch zutiefst volksfromme Gliederung des Tages, die Guardini in den »Heiligen Zeichen« aufnimmt in seiner großen Meditation über die »Geheiligte Zeit«: »Der Morgen«, »Die Mittagsstunde«, »Der Abend«: Guardini: Zeichen (1923/2023), wie Anm. 1, 68-75. 

  60. Ratzinger: Gott und die Welt (2000/2006), wie Anm. 2, S. 311.