Informationsmonokultur und Zensur

Geschrieben von Uwe Jochum am 19.8.2025

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In der vergangenen Woche sorgte auf der Internetplattform X eine Meldung für Aufsehen. Ein Internetnutzer hatte nämlich festgestellt, daß in einigen hessischen Städten wie Eltville oder Rüdesheim ein öffentliches WLAN betrieben wird, das politisch keineswegs blind ist. Denn in den WLANs der betroffenen Städte waren und sind sogenannte »rechte Medien« wie Nius, Achgut, die Junge Freiheit oder Tichys Einblick blockiert. Daraufhin entspann sich auf X eine Debatte, ob es zulässig sei, daß steuerfinanzierte WLANs »rechte« Nachrichtenportale blockieren und also faktisch eine Zensur ausüben.

Die Antwort kann nur lauten: Stünden die jeweiligen WLAN-Betreiber wirklich noch auf dem Boden des Grundgesetzes, hätten sie niemals auf die Idee kommen können, bestimmte Nachrichtenportale zu blockieren. Denn wie heißt es in Artikel 5 des Grundgesetzes so schön und einfach: »Eine Zensur findet nicht statt.« In Eltville, Rüdesheim und anderswo schon.

Wer angesichts solcher Befunde in diesen Sommerurlaubswochen auf die Idee kommen sollte, auf den Gebrauch des öffentlichen WLANs zu verzichten, um die gewünschten Zeitungen und Zeitschriften dann eben ganz entspannt in der örtlichen Stadtbücherei zu benutzen, der kommt vom Zensurregen in die Zensurtraufe.

Denn lange vorbei sind die Zeiten, da man in einer öffentlichen Bibliothek in der Zeitungsleseecke ein gut sortiertes Angebot in- und ausländischer Zeitungen und Zeitschriften finden konnte. Wer heutzutage eine Stadtbücherei betritt, wird im Normalfall nur noch die jeweilige Lokalzeitung in gedruckter Form finden, und je nach Finanzlage der Bibliothek ein sehr dünnes Angebot überregionaler Zeitungen, zumeist nur die Frankfurter Allgemeine und/oder die Süddeutsche Zeitung. Dafür wird er bei Nachfrage in die leuchtenden Augen von Bibliothekarinnen blicken, die ihm erklären, man habe dafür jetzt ein wunderbares digitales Angebot an in- und ausländischer Presse.

Das Zauberwort, das dann fallen wird, lautet »PressReader«. Dahinter verbirgt sich eine Online-Plattform, über die rund 7900 Zeitungen und Zeitschriften aus aller Herren Länder abgerufen werden können; alle in digitaler Form, versteht sich. Zahllose Stadtbüchereien und Universitätsbibliotheken haben diese Plattform abonniert, so daß der interessierte Leser endlich auch in einer kleinen Provinzbibliothek lesen kann, was die Zeitung »El País«, was das »Wall Street Journal«, die »Vogue« oder der »Playboy« so schreiben.

Allein — so einfach ist es dann doch nicht.

Denn wer in einer Stadtbücherei dieses Online-Zeitungsangebot nutzen will, der kann das nur, wenn er auch einen Bibliotheksausweis für die betreffende Bücherei hat. Den braucht er, damit er sich im jeweiligen Bibliotheksnetz als zugelassener Benutzer anmelden kann. Einen solchen selbstverständlich gebührenpflichtigen Bibliotheksausweis bekommt aber nur, wer in der jeweiligen Stadt oder ihrem unmittelbaren Umland mit Wohnsitzt gemeldet ist. Ausgeschlossen von der digitalen Zeitungsfülle sind also alle nicht am Ort und im Umland Wohnenden: die Urlauber, die Geschäftsreisenden, die örtlichen Clochards — und überhaupt alle, die sich einen Bibliotheksausweis nicht leisten können.

Ein zweiter Punkt kommt hinzu. Die Plattform »PressReader« lizenziert keineswegs alle verfügbaren Zeitungen und Zeitschriften, sondern trifft eine Auswahl und muß es auch, denn »PressReader« zahlt seinerseits an die lizenzierten Zeitungen und Zeitschriften Nutzungsgebühren. Schaut man sich die getroffene Auswahl aber einmal genauer an, fällt auf, daß »rechte« Presseerzeugnisse durchweg fehlen: »Tichys Einblick« wird man ebensowenig finden wie »Die Junge Freiheit« oder die Zeitschriften »Tumult« und »Sezession«.

Man muß sich klarmachen, was das genau heißt. Es heißt, daß an allen Stadtbüchereien in Deutschland, die ihr digitales Zeitungsangebot über die Plattform »PressReader« laufen lassen, dieselben Zeitungen und Zeitschriften verfügbar sind und dieselben Zeitungen und Zeitschriften fehlen. Mit anderen Worten: Die von den Bibliotheken betriebene Digitalisierung ihres Zeitungs- und Zeitschriftenangebots hat eine deutschlandweite öffentliche Informations-Monokultur geschaffen, die auf dem politisch rechten Auge Scheuklappen trägt.

In digitalen Zeiten aber ist eine Informationsmonokultur nicht mehr zu unterscheiden von Zensur.


Der vorstehende Text wurde am 12. August 2025 in der Sendung »Kontrafunk aktuell« als Tageskommentar gesendet.