Das Gerücht von der Bücherzensur in den USA

Eine Anmerkung zur Banned-Books-Woche

Geschrieben von Uwe Jochum am 3.11.2025

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Ein Gerücht macht die Runde in den Medien: das Gerücht von einer sich ausweitenden Bibliotheks-Zensurkrise in Trumps Vereinigten Staaten. Getriggert wurde das Gerücht vor wenigen Tagen, als der amerikanische Bibliotheksverband seine jährliche »Banned Books Week« veranstaltete und darauf hinweis, daß im Jahre 2024 5813 Bücher aus Bibliotheken entweder ganz entfernt oder nur noch unter Auflagen zugänglich gemacht wurden. Und prompt meldete sich der amerikanische Schriftstellerverband PEN und setzte die Zahl betroffener Bücher um 1000 hoch: Im abgelaufenen Schuljahr 2024/25 seien sogar 6870 Bücher von Zensur betroffen gewesen.

Eine Analyse des Gerüchts muß mit der Feststellung beginnen, daß es gar nicht um eine US-weite Beseitigung unliebsamer Bücher aus den Bibliotheken geht. Es geht vielmehr einzig und allein um Schulbibliotheken und die Frage, welche Bücher dort für welche Altersgruppen angemessen sind und bereitstehen sollten — von den im Unterricht eingesetzten Schulbüchern bis zu all dem, was den Schülern sonst noch zur Verfügung gestellt wird.

Und hier haben sich der amerikanische PEN und der amerikanische Bibliotheksverband seit Jahren ganz weit aus dem linkswoken Fenster gehängt: Die Kinder, so heißt es von dieser Seite, sollten sich mit ihrer Lebensgeschichte in den Büchern wiederfinden; daher sei es die Aufgabe der Schulbibliotheken, durch geeignetes Material den Kindern die Entdeckung ihrer schwulen, lesbischen, queeren oder sonstigen Seiten zu ermöglichen. So kam es, daß das vom School Library Journal mit einem Preis ausgezeichnete Buch von George M. Johnson »All Boys Aren’t Blue« seinen Platz in den Schulbibliotheken fand.

Johnsons Buch ist eine Sammlung autobiographischer Essays, die die Kindheit und Jugend des Autors behandeln, nämlich sein Aufwachsen als queerer Schwarzer, seine Probleme mit toxischer Männlichkeit, Gender-Identität und struktureller Benachteiligung als Angehöriger einer Minderheit.

Und nun steht es an oberster Stelle auf der Liste der Bücher, die an bestimmten Schulbibliotheken gar nicht mehr oder nur noch mit Erlaubnis der Eltern zugänglich gemacht werden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:

Nachdem sowohl der amerikanische PEN als auch der Bibliotheksverband über Jahre eine woke Politik propagiert haben, die Bücher wie das genannte in die Schulbibliotheken gebracht hat, haben amerikanische konservative Eltern seit den 2020er Jahren entdeckt, was ihre Kinder da zu lesen bekommen: Bücher, die den konservativen Werten der Eltern ins Gesicht schlagen; und nach Überzeugung der Eltern die gesunde Entwicklung ihrer Kinder nicht fördern, sondern beeinträchtigen. Also stellten sie sich auf die Hinterbeine, organisierten sich und machten aus dem Thema ein Politikum.

Und dabei haben sie erste Erfolge erstritten. In knapp 90 der 13’000 Schulbezirke der USA wurden Bücher der genannten Art aus den Schulbibliotheken entfernt oder den Schülern nur noch bedingt zugänglich gemacht. Trotz dieses, aufs Ganze gesehen, bescheidenen Erfolgs schreien der linkswoke PEN und der linkswoke Bibliotheksverband aus vollen Hals »Zensur«. Denn sie müssen fürchten, daß die Rückeroberung der Schulbibliotheken durch die Eltern erst der Anfang eines gesellschaftlichen Machtverlustes der linkswoken Verbände ist. Bisher nämlich konnten sie davon ausgehen, daß ihre woke Schul- und Bibliothekspolitik von den Eltern unbemerkt und also ungestört durchgezogen werden kann; nun aber steht die Drohung im Raum, daß die Eltern immer mehr darauf achten werden, daß in den Schulbibliotheken nur das bereitgestellt wird, was die Mehrheit der Eltern für richtig hält. Je mehr Eltern das so sehen und zum Politikum machen, desto größer wird der Terrainverlust des linkswoken PEN und des linkswoken Bibliotheksverbandes.

Der Terrainverlust wird aus zwei Gründen nicht aufzuhalten sein.

Erstens nämlich geht es in den USA bei der Rückeroberung der Bibliotheken urdemokratisch zu. Über die Frage, welche Bücher in die Schulbibliotheken kommen, entscheiden auf der Ebene der Gemeinden und Schulbezirke nämlich gewählte »School Boards« oder der gewählte Beamte. Die Rückeroberung der Bibliotheken findet also statt, weil sie dem Willen der die Gremien wählenden Eltern entspricht. Je konservativer die Eltern, desto mehr Rückeroberung.

Zweitens aber findet die Rückeroberung der Schulbibliotheken mit dem Willen des Obersten Gerichtshofs der USA statt. Denn der hat diesen Sommer erst festgestellt, daß ein Schulbezirk, der Schulbücher mit LBGTQ-Material einsetzt, den Eltern eine Opt-out-Lösung anbieten muß, d.h. Eltern dürfen sich dem Schuleinsatz solchen Bücher verweigern und die Kinder aus der Klasse nehmen. Elternrecht geht vor pädagogischen oder bibliothekarischen Verbandsinteressen.

Von einer angebliche Zensurkrise in den USA kann also keine Rede sein. Wir haben vielmehr eine Krise des linkswoken Zeitgeistes, der seine Lufthoheit über den Schulen gerade verliert.


Der vorstehende Beitrag wurde am 21. Oktober 2025 im »Kontrafunk« als Tageskommentar vorgetragen. Er erscheint hier ergänzt um Links zu den Quellen und um eine Präzisierung im Hinblick auf die Elternrechte beim schulischen Einsatz von LGBTQ-Material.