Nun ist es wieder soweit: Deutschland plant den nächsten Bibliothekskongreß! Ganz Deutschland? Ach was. Bibliotheksdeutschland.
Man möchte, so lese ich in der Kongreß-Ankündigung, »Freiräume schaffen«. Näheres ist (noch) nicht bekannt, aber es dürfte spannend werden. Denn erstens steht das Konzept des »Raums« konträr zum Lieblingshobby meiner Bibliothekskolleginnen, die seit einem Vierteljahrhundert unter der Obsession leiden, möglichst alle realen Räume (das sind die Dinger in den Gebäuden, die von Wänden begrenzt werden und Tür und Fenster haben) abzuschaffen, um desto fröhlicher in virtuelle Räume aufzubrechen, also, nur zur Sicherheit sei es gesagt, ganzstags und zwar 24/7 am Bildschirm zu sitzen, wo ihnen Bill Gates und Jeff Bezos eine Nase drehen.
Zweitens ist die Sache mit dem »frei« in den Bibliotheken inzwischen so eine Sache. Denn sosehr man sich auch bemüht, in Ringvorlesungen die »Informationsfreiheit« zu beschwören und zumeist allerlei NGO-Vertreterinnen zu Wort kommen läßt (siehe beispielsweise hier und hier und hier und hier und hier), die das Thema auf die politisch korrekte Ebene heben, wo die Informationsfreiheit durch ökonomische Zwänge und böse Kampagnen von der falschen Seite (also: »von rechts«) gefährdet ist, muß man in aller Nüchternheit feststellen, daß wir längst eine Situation haben, in der die Bibliothekarinnen selbst und ohne Not Informationen unfrei machen. Denn daß die UB Freiburg (nomen est omen) mit dem besten bibliothekarischen Gewissen der Welt ungenehme Literatur nun wieder – und das meint: so wie man es zwischen 1933 und 1945 in Gesamt- und zwischen 1945 und 1989 in Ostdeutschland tat — umstandslos sekretiert, ist ja mit einiger Wahrscheinlichkeit nur die Spitze des bibliothekarischen Sekretierungseisbergs. Merke: Wenn das große bibliothekarische Projekt von der »Informationsfreiheit« im Alltag politisch korrekt zurechtgebogen und also verfälscht wird, dann haben wir hier eine hohle Phrase vor uns und nichts weiter. Bullshit eben.
Und drittens schließlich ist es auch mit dem »Schaffen« in den Bibliotheken zumeist Essig. Denn das, was Bibliotheken schaffen, schaffen sie ja nur als nachgeordnete Einrichtungen, bei denen die vorgeordneten Instanzen den Ton vorgeben, aus dem die Bibliotheken dann ihre Musik zu machen versuchen. Weniger blumig gesagt: Wer zahlt, schafft an. Und Zahler sind im Bereich der Universitätsbibliotheken die zuständigen Landesministerien und im Bereich der Stadtbüchereien die jeweiligen Stadtverwaltungen. Wenn diese husten, eilen die Bibliothekarinnen zum Rapport und schaffen dann das, was man ihnen zu schaffen aufgibt. Nicht mehr und nicht weniger, meistens jedoch weniger. (An dieser Stelle lege ich gerne eine Gedenk- und Anerkennungsminute für jene Bibliotheken ein, auf die das Gesagte nicht zutrifft. Wieviele waren es noch gleich? Fünf?)
Ich mach’s daher kurz: Solange die UB Freiburg die Bücher von Martin Lichtmesz und anderen sekretiert, in den bibliothekarischen Fachzeitschriften die Chose eifrig beschwiegen wird und kein Bibliotheksverbändchen dagegen protestiert, muß mir hier keine Bibliothekskollegin mit »Freiräume schaffen« kommen.