In die Reihe der gesellschaftlichen Weckrufe, die vor einem Erstarken des Rechtsextremismus warnen, fügt sich nun auch eine Erklärung, die die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Vollversammlung am 22. Februar 2024 veröffentlicht hat. Darin loben die Bischöfe ausdrücklich die Demonstranten, die in den vergangenen Wochen gegen die, wie die Bischöfe sagen, »Machenschaften der Rechtsextremisten« auf die Straße gegangen sind.
Und am Ende der Erklärung teilen die Bischöfe ihren katholischen Schafen mit, daß — erstens — ein völkischer Nationalismus mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar sei, daß — zweitens — man als Christ rechtsextreme Parteien nicht wählen könne, und daß — drittens — die Verbreitung rechtsextremer Parolen mit einem haupt- und nebenamtlichen Dienst in der katholischen Kirche nicht zu vereinbaren sei.
Damit das alles nicht in blumigem Kirchensprech verdampfe, machen die Bischöfe in klar, auf wen sie mit ihrer Erklärung zielen: auf die AfD, in der, wie die Bischöfe meinen, nach mehreren »Radikalisierungsschüben« »eine völkisch-nationalistische Gesinnung« dominiere. Nun weiß der deutsche Katholik also ganz genau, wen er nicht wählen und in welche Partei er nicht eintreten darf.
Während die katholischen Bischöfe es siebzig Jahre lang vermieden haben, sich parteipolitisch derart zu exponieren, lassen sie diese Zurückhaltung nun also sausen. Zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik geben sie nicht nur ein klares Votum gegen eine Partei ab, sondern drohen auch mit einem innerkirchlichen Berufsverbot, sollte ein Katholik es wagen, AfD-Mitglied zu sein.
Natürlich bedienen sich die Bischöfe zur Rechtfertigung ihrer parteipolitischen Intervention einer theologischen Argumentation. Das christliche Menschenbild, so sagen sie, sei universalistisch, vertrage sich daher nicht mit einem völkischen Nationalismus, den sie der AfD unterstellen und so verstehen, als gehe es der Partei um eine »Blutsgemeinschaft«, nämlich um eine rein ethnisch-genetisch definierte Abstammungsgemeinschaft, die sich nach außen hin abgrenze. Und die Bischöfe meinen, ein solches ethnisches Volksverständnis sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, das das Volk vielmehr als einen »demos« verstehe, eine Gemeinschaft von Gleichberechtigten auf der Basis der Menschen- und Bürgerrechte.
Das ist eine freie Phantasie der Bischöfe, die sie freilich mit vielen politischen Akteuren teilen. Diese Phantasie will nicht wahrhaben, daß nicht das Grundgesetz das deutsche Volk hervorgebracht hat als eine Gemeinschaft von Paßbesitzern, sondern daß umgekehrt das »Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt« sich »dieses Grundgesetz gegeben« hat. So steht es in der Präambel des Grundgesetzes, das damit ganz selbstverständlich voraussetzt, daß das deutsche Volk als eine umreißbare Entität seiner Verfassung vorausliegt und dieser Verfassung überhaupt erst Geltung verschafft.
Aber nicht nur in der Präambel weiß das Grundgesetz von einem deutschen Volk, es kennt in Art. 116 sogar »Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit«, die genau deshalb, weil sie zum deutschen Volk gehören, Deutsche sind. Von Flüchtlingen, die nur deshalb, weil sie das deutsche Staatsgebiet erreichen, automatisch auch zu Deutschen würden, weiß das Grundgesetz nichts.
Mit anderen Worten: Die Lage ist komplexer, als die Bischöfe sehen wollen. Ihr Christentum ist so verzeitgeistet, daß die bischöfliche Erklärung durch vollkommene Anschlußfähigkeit an den Politsprech der Kartellparteien glänzt. Und dieser Glanz ist ein Phrasenglanz, der längst den Glanz der Wirklichkeit überstrahlt und damit auch die Kardinaltugend der Klugheit verdunkelt, die das Medium wäre, um mit der Wirklichkeit, wie sie ist, Kontakt aufzunehmen.
Diesen Kontakt haben die deutschen Bischöfe längst verloren. Man erkennt das auf eine geradezu amüsante Weise daran, daß sie sich mit aller Phrasengewalt gegen eine Politik zugunsten der deutschen Kultur und Tradition wenden und diese als rechtsextremistisch, weil völkisch-nationalistisch denunzieren. Dabei haben sie in ihrem blinden Eifer nicht bemerkt, daß nun ausgerechnet der sogenannte »synodale Weg«, den die Mehrheit der deutschen Bischöfe gehen möchte, nichts weiter ist als ein konfessioneller deutscher Sonderweg, der von den katholischen Kirchen unserer Nachbarländer und vom Papst nicht geteilt wird.
Würden die Bischöfe sich selber noch ernst nehmen, müßten sie sich wegen ihres damit erwiesenen deutschvölkisch-nationalistischen Sonderweges des katholischen Rechtsextremismus zeihen und sich selber mit Berufsverbot belegen.
Der vorstehende Text wurde am 26. Februar 2024 im Kontrafunk in der Sendung »Kontrafunk aktuell« als Tageskommentar gesendet.