»Die rastlose Selbstzerstörung der Aufklärung zwingt das Denken dazu, sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten.« So schrieben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer gleich zu Beginn ihrer berühmten und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Dialektik der Aufklärung. Und also machten sie sich daran, dem Zeitgeist der 1950er und 1960er Jahre Paroli zu bieten und die Aufklärung zu retten. Für sie hieß das: Die im Kapitalismus von sich selbst entfremdete Natur — entfremdet durch einen Geist, der Wahrheit mit positivistisch-wissenschaftlichen Verfahren gleichsetzt, in denen die Logik auf Mathematik reduziert und die Welt als etwas Zahlenförmiges betrachtet wird – sollte im Eingedenken an die Zerstörungen, die der rational agierende Mensch ihr angetan hatte, mit sich wieder versöhnt werden. Dazu wollte man sich nicht zuletzt sprachlich von einem Denken verabschieden, das sich in seinen Begriffen immerzu verdinglicht und die Begriffe zu Systemen fügt, mittels denen der Mensch Herrschaft ausübt: über die Natur außer uns und über die Natur in uns. Gelingen sollte die Verabschiedung des verdinglichenden Denkens durch ein, wie Adorno schrieb, »Mehr an Subjekt«, das gerade durch seine Subjektivität dem System, in dem alles widerspruchsfrei geordnet wäre, widersprach und in diesem Widerspruch »konkret« werden wollte.
Freiheit als Freiheit vom System: das war genau so gemeint wie es klang, nämlich nicht nur als Freiheit vom vermeintlichen Systemzwang des Denkens, sondern eben auch als Freiheit von einem politökonomischen System, das alles, was ist, seiner Herrschaft unterwerfe, um es zu vernutzen und zu verbrauchen. Damit zielten Adorno und Horkheimer auf den »Kapitalismus«, der alles, womit er in Kontakt komme, ruiniere, weshalb es wahre Freiheit nur jenseits des Kapitalismus in einer wahrhaft aufgeklärten Gesellschaft geben könne. Im Kontext des marxistisch-kommunistischen Hintergrunds des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, in dem Horkheimer und Adorno die Paladine waren, hieß das: Überwindung des kapitalistischen Systems durch freudiges Voranschreiten auf dem Weg zu einem menschheitsbefreienden Kommunismus.
[Max Horkheimer (vorne links mit Brille), Theodor W. Adorno (in der Mitte mit Brille und Streifenkrawatte), Jürgen Habermas (rechts mit Brille). Quelle: Jjshapiro at English Wikipedia, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons]
Aufklärung war damit zu einem linken Projekt geworden. Es reklamierte für sich, durch immer subtilere Kritik am bestehenden unwahren System die Welt insgesamt endlich zur Vernunft bringen zu können, ohne daß es dabei aber zu einer neuerlichen systemischen Erstarrung kommen sollte. Bewegung der Begriffe und der Wirklichkeit war jetzt das, worauf alles ankam, eine Bewegung, die so lange die richtige war, wie sie in eine linke Richtung lief. Alles, was in anderen Richtungen lag und liegt, durfte und darf nicht nur begrifflich, sondern gerne auch in konkreter Politik aufgelöst werden. Denn in diesem Nicht-Linken meldet sich, wie man jetzt meinte, das Verdinglicht-Erstarrte, das Abgetane, das Bürgerliche mit seinem Sekuritätswahn sowieso, das Kapitalistische, Faschistische und Totalitäre gar, in dem alles zur Ware würde und die Wahrheit zu einem Nichts.
Geschadet hat diese Verflüssigung der bürgerlichen Verhältnisse und des kapitalistischen Systems den linken Aufklärern nicht im geringsten. Wo man dem Zeitgeist eigentlich hätte widersagen müssen, sah man sich seit den 1960er Jahren vielmehr in der Rolle sehr erfolgreicher linker Zeitgeistsurfer, die an den neu gegründeten Universitäten flugs die bestimmende Macht wurden und im Suhrkamp-Verlag das Publikationsorgan fanden, in dem in Zusammenarbeit mit dem bundesdeutschen Feuilleton die Autoren der Frankfurter Schule zu modernen Klassikern der Philosophie, Politik und Soziologie gemacht wurden. Seither war klar oder sollte es zumindest sein: Die Aufklärung weht von links nach links, und sie weht besonders stark an den Universitäten, wo man Suhrkamp-Bücher las und Suhrkamp-Bücher schrieb, um die Aufklärung als linkes Projekte voranzubringen. Den Universitätsbibliotheken blieb daher wenig mehr zu tun, als um der Aufklärung willen Suhrkamp-Bücher en gros zu kaufen. Andere natürlich auch, wenn sie denn hinreichend links waren. Den ganzen Rest aber konnte man getrost rechts und also unbeachtet liegenlassen.
So hätte es bleiben können, wenn der linkswehende Zeitgeist sich nicht an den Windmühlenflügeln der Realität gebrochen und auf dem letzten Loch zu pfeifen begonnen hätte. Dieses Pfeifen war spätestens ab dem Jahr 2015 nicht mehr zu überhören, als die illegale Masseneinwanderung zusammen mit der illegalen Grenzöffnung durch eine legale Bundeskanzlerin zu enormen politischen Verwerfungen führte, die in den Pegida-Demonstrationen sichtbar wurden. Plötzlich ging die bequeme Rechnung, daß der Zeitgeist nur von und nach links wehen könne, nicht mehr auf. Denn plötzlich waren diejenigen, die sich an die Verflüssigung der bundesdeutschen Verhältnisse und an die Kritik des Zeitgeistes machten, nicht mehr links in dem alten gewohnten Sinne, wonach die Verflüssigung der Verhältnisse dem Sozialismus den Weg bahne. Plötzlich gab es gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes einen ganz neuen Argwohn, der das linke Zeitgeistgewehe nicht im geringsten goutierte, war man doch im Osten unseres Landes gerade ein Vierteljahrhundert zuvor vor dem Sozialismus in Scharen davongelaufen. Plötzlich standen die bundesdeutschen Verhältnisse auf dem Kopf; die realen, aber auch die ideologischen.
[Pegida-Demonstration vom 25. Januar 2015 in Dresden. Quelle: Kalispera Dell, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons.]
Für die Buch- und Bibliotheksszene hieß das, sich von lieben Gewohnheiten verabschieden zu müssen. Vorbei die Zeiten, da der Suhrkamp-Verlag beanspruchen konnte, das kulturelle Flaggschiff der Bundesrepublik zu sein und diese mit seiner, wie der Literaturwissenschaftler George Steiner es genannt hatte, »Suhrkamp-Kultur« zu imprägnieren. Der nach dem Tod Siegfried Unselds im Jahre 2002 in schwere See geratene Verlag, zerrissen von internen Machtkämpfen und dem Weggang von Autoren, mußte einen kontinuierlichen Umsatzrückgang hinnehmen und im Jahre 2013 ein Insolvenzverfahren bewältigen, nach dem er den Umsatz zwar wieder steigern konnte, ohne indessen zur alten ökonomischen Hochform zurückfinden zu können. Seit dem Jahr 2017 geht der Umsatz des Verlages vielmehr wieder zurück, von Jahr zu Jahr um rund eine Million auf zuletzt (2021) 32,2 Millionen Euro (laut Statista 2023).
Natürlich ist der rückläufige Suhrkamp-Umsatz Teil des seit den 2010er Jahren allgemein festzustellenden Umsatzrückgangs im Buchhandel. Während aber der Buchhandel in den vergangenen drei »Pandemie«-Jahren insgesamt wieder ins Umsatzplus drehen konnte, wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zu melden weiß, ist Suhrkamp das ganz offensichtlich nicht gelungen. Man darf vermuten: Es ist nicht gelungen, weil die »Suhrkamp-Kultur« im immer autoritärer werdenden Korporatismus des bundesdeutschen Parteienstaats keine Attraktionskräfte mehr hat. Denn wo sich Adorno einst die Arglosigkeit gegenüber dem Zeitgeist verbieten wollte, ist ebendiese Arglosigkeit längst zum allgemeinen Programm geworden. Der Grund dafür ist einfach zu benennen: Der auf links gedrehte Parteienstaat findet in der auf links gedrehten Zeitungs- und Verlagsszene keinen Widerpart mehr, sondern läuft mit ihr zusammen in dieselbe Richtung, in die Richtung einer vermeintlichen Aufklärung, die freilich längst in einer links-grün-woken Orthodoxie erstarrt ist. Was von dort kommt, ist zeitgeistig-schlicht, lammfromm-staatshörig – und intellektuell völlig uninteressant.
Der Geist weht daher längst anderswo. Zum Teil natürlich immer noch links, aber jetzt in völlig unorthodoxer Form etwa im Verlag Matthes & Seitz in Berlin, wo man sich nicht nur über das Unbehagen in der Moderne aufklären lassen kann, sondern erstaunlicherweise aus der Feder des von der Wikipedia als Rassist und Eugeniker gehandelten Nick Land auch über ein »Okkultes Denken«, das die bequemen Denkereien der sich immer noch für links haltenden Aufklärer aus dem Nebelfeld der »Suhrkamp-Kultur« beiseite wischt. Wie provokativ das ist, zeigt sich daran, daß der Verlag dem Buch einen Briefwechsel zwischen dem FAZ-Redakteur Dietmar Dath, einem bekennenden Marxisten, und dem Schweizer Germanisten Philipp Theison beigegeben hat, die Lands Denkprovokationen offenbar nach links abfedern sollen.
[Pfingsten: Die Ausgießung des Geistes. Quelle: anonymous, Public domain, via Wikimedia Commons.]
Gleichwohl: Daß der Damm des betreuten links-grün-woken Denkens gebrochen ist, merkt man nicht nur an solchen verlegerischen Ausreißern, die die auch im Verlagswesen grassierende Nachhaltigkeitsbewirtschaftung zusammen mit der sich links gebenden Denunzierung der Corona-Maßnahmenproteste als Symptom einer Kränkung und als Ausdruck eines »libertären Autoritarismus« weit hinter sich lassen. Man merkt den Dammbruch vielmehr auch daran, daß sich das verlegerische Links-Rechts-Schema insgesamt aufzulösen beginnt.
So hatte man bisher eine einfache und klare Rollenzuweisungen, bei denen die linke, woke und grüne Themen bespielenden Verlage als die guten Aufklärer galten, deren Bücher von den Bibliotheken umstandslos gekauft wurden. Diejenigen Verlage hingegen, die die Frage der deutschen Alleinschuld am Ersten Weltkrieg durchaus für prüfenswert, den menschengemachten Klimawandel für ein statistisches Phantom und die Abschaffung des Nationalstaates durch eine immer übergriffigere EU-Hinterzimmerpolitik zusammen mit der Förderung der illegalen Masseneinwanderung für fragwürdig hielten, wurden als böse Dunkelmänner stigmatisiert, deren Bücher eher selten den Weg in eine öffentliche oder Universitätsbibliothek fanden. Diese einfache Rollenzuweisung steht nun aber in Frage, und schuld daran ist, wieder einmal, »Corona«.
Denn in demselben Maße, wie die kritische Leserschaft sich von den regierungsfrommen Mainstreammedien verabschiedete, um sich in den freien Medien über die wahre Viruslage zu informieren, wendeten sich die Leser von jenen Verlagen ab, deren Buchprogramm der offiziellen Regierungslinie folgte und die Gegner dieser Linie als »Extremisten der Mitte« oder als gekränkt-autoritäre Realitätsleugner verunglimpfte und verlegerisch also das Pendant zum Haltungsjournalismus boten: Haltungsverlegerei von Haltungswissenschaft. Ersatz fanden die kritischen Leser in Büchern von Verlagen, die nicht zur bundesdeutschen Publikationsorthodoxie gehören und daher im Mainstreamfeuilleton kaum je Beachtung finden, dafür aber um so mehr in den unzähligen alternativen Medienkanälen diskutiert werden, die seit »Corona« wie Pilze aus dem Boden schossen.
[Demonstration auf dem Alexanderplatz in Berlin, 4. November 1989. Quelle: Ralf Roletschek, GFDL 1.2, via Wikimedia Commons.]
Zu diesen heterodoxen Verlagen gehören die »Achgut Edition« mit den Büchern von Gunter Frank ebenso wie die »Edition Tichys Einblick« und der Rubikon-Verlag. Sie boten all jenen kompetenten Fachleuten eine Plattform, deren Kritik an den medizinischen und politischen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung von den Staatsmedien ignoriert, als angebliche Falschinformation bekämpft und von den großen kommerziellen Medienplattformen wie YouTubeTM und TwitterTM gelöscht wurde. Hinzu kamen Verlage, die wie der Goldegg- oder der Weltbuch-Verlag bislang eher im Windschatten der Aufmerksamkeit gesegelt waren, nun aber ihre Chance ergriffen und von den Medien verfemten Autoren wie Sucharit Bhakdi und Karina Reiß oder Stefan Homburg die Möglichkeit zur Publikation maßnahmenkritischer Bücher boten.
Ganz und gar nicht im Windschatten der Öffentlichkeit agieren seit Jahren und Jahrzehnten der Kopp-Verlag und der Verlag Antaios. Sie hatten sich schon vor »Corona« einen soliden Ruf als »rechte« oder »neurechte« Verlage erarbeitet und mußten, anders als die »Achgut Edition«, die »Edition Tichys Einblick« oder der Rubikon-Verlag, diesen Ruf sich nicht erst durch maßnahmen- und regierungskritische Bücher neu erarbeiten. Sie konnten daher ihre Verlagspolitik einfach fortsetzen und die Corona-Orthodoxie als neueste Gestalt einer alt- und neulinken Orthodoxie gesellschaftskritisch von rechts unter die Lupe nehmen. Und hier nun begannen die Dinge sich vor den Augen aller zu verkehren.
War schon die Wut des orthodoxen Feuilletons, die Achgut, Tichy und Rubikon als »rechts« gebrandmarkt hatten, um sie als debattenirrelevant auszuschalten, an dem simplen Umstand gescheitert, daß die medizinische und politische Expertise der dort schreibenden Autoren nicht wegzureden war, so verpuffte diese Wut erst recht in dem Moment, als explizit linke Themen und explizit linke Autoren bei den als »rechts« titulierten Verlagen erschienen. Die Eröffnung machte dabei Wolfgang Wodarg, der als bekannter ehemaliger SPD-Politiker seine linke Kritik an der im Hintergrund der »Pandemie« agierenden Impfmafia und den Profitinteressen der Pharmaindustrie in dem von der Wikipedia als verschwörungstheoretisch und damit automatisch als »rechts« eingeordneten Rubikon-Verlag erscheinen ließ. Fortgesetzt wurde dieser Trend, als der Kopp-Verlag mitten in der »Corona-Pandemie« Bücher herausbrachte, die seiner Einordnung als eines auf Esoterik, Verschwörungstheorien, Desinformation und Delegitimierung der Demokratie beruhenden Unternehmens glatt widersprachen.
[Alchemie. Quelle: Joseph Wright of Derby, Public domain, via Wikimedia Commons.]
So erschien bei Kopp jüngst Robert W. Malones Buch Lügen, die mir meine Regierung erzählte, davor im Jahre 2022 Naomi Wolfs Im Grunde böse: COVID-19, die neuen Machteliten und ihr Krieg gegen die Menschlichkeit und Robert F. Kennedys Das wahre Gesicht des Dr. Fauci: Bill Gates, die Pharmaindustrie und der globale Krieg gegen Demokratie und Gesundheit. Mit anderen Worten: Unter dem verlegerischen Dach von Kopp findet man jetzt mit Robert Malone einen der Pioniere der mRNA-Technik, der als Hochschullehrer und Firmeninhaber ein intimer Kenner der Pharmaszene ist, mit Naomi Wolf eine linksliberale Feministin und mit Robert Kennedy Jr. den Neffen von John F. Kennedy und zugleich das Mitglied und einen der Präsidentschaftskandidaten der amerikanischen Demokratischen Partei und prominenten Impfkritiker. Wenn es je einen bunten Verlag mit inklusivem Programm gegeben haben sollte, dann wäre es dieser.
Daß die hier sichtbar werdende Auflösung des bequemen Links-Rechts-Schemas dem bundesdeutschen Kulturbetrieb und seinen links-grün-woken Medien Probleme bereitet, ist allenthalben zu sehen. Am einfachsten wohl daran, daß ein Informationsmedium wie die Wikipedia, das für sich selbst politische Neutralität reklamiert, durch das »kollaborative Schreiben« zahlloser zumeist anonymer Autoren längst zu einem unkontrolliert wuchernden Organ des links-grün-woken Zeitgeistes geworden ist, in dem prompt jeder Kritiker der staatlichen Corona-Erzählung als verschwörungstheoretischer Falschinformant und damit irgendwie »rechts« abgestempelt wird, gleich aus welcher politischen Ecke er auch stammen mag. Das ergibt dann ebenjene Melange, in der sich ein regierungskritischer Mikrobiologe, eine Biochemikerin, ein ehemals der SPD angehörender Lungenfacharzt und Europaabgeordneter, ein Finanzwissenschaftler und Parteienberater, eine linksliberale Feministin, ein Pionier der mRNA-Technik und ein demokratischer Präsidentschaftskandidat aus altem amerikanischem Politadel – als »Rechte« wiederfinden. Übrigens (machen Sie den Test!) mit desto mehr »kritischem« Text in der Wikipedia bedacht, je größer ihr Gewicht als Experte ist.
Auch auf einen Platz in den Regalen oder gar auf den Bestsellertischen der Buchhandlungen können die Autoren nicht unbedingt hoffen, das Publikum soll nach Ansicht großer Filialen offenbar von solchen Gedanken geschützt werden. Bei Bestellwilligen wird die Existenz oder Verfügbarkeit des einen oder anderen Titels mitunter glatt bestritten. Die Auflösung des politischen Links-Rechts-Schemas zeigt sich aber auch an der Hilflosigkeit der Stadtbüchereien und Universitätsbibliotheken, deren gewohnte Maßstäbe für die Bücherbeschaffung (informelles Motto: »Kopp und Antaios niemals!«) zunehmend untauglich werden und mit dem Common Sense ihrer Leser in Konflikt geraten. So etwa, wenn die Stadtbibliothek Augsburg sich Gedanken darüber macht, ob Pippi-Langstrumpf-Bücher jetzt nicht wegen ihres unwoken Personals irgendwie »markiert« werden oder doch in den Regalen weiter nach hinten geschoben werden sollten. Oder wenn die Universitätsbibliothek Augsburg und die Bayerische Staatsbibliothek Bücher aus dem Antaios-Verlag von der Ausleihe sperren und ihre Lektüre nur noch im Lesesaal erlauben, unter Vorlage einer Bescheinigung versteht sich, daß diese Lektüre für das Studium oder den Beruf auch notwendig sei. Oder wenn diese und viele andere Bibliotheken die oben genannten Bücher aus dem Kopp-Verlag, der Achgut-Edition, dem Rubikon-Verlag oder der Edition Tichys Einblick erst gar nicht anschaffen, trotz der freilich schon etwas in die Jahre gekommenen Ermahnung des Deutschen Bibliotheksverbands, daß ein »umfassendes Informationsangebot […] auch kontrovers diskutierte Titel ein[schließt].«
[Kettenbuch. Quelle: Michail Jungierek, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons.]
Mit dieser Inklusivität hapert es in den Bibliotheken im Augenblick noch sehr. Denn wie in den Mainstreammedien fühlen sich auch in den Bibliotheken viel zu viele Bibliothekare nicht als neutrale Informationsvermittler, sondern als woke Erzieher der Leser. Das kann nicht lange gutgehen. In den woken Vorreiterländern USA und Großbritannien schwingt das Pendel bereits in die andere Richtung, und gänzlich unwoke Elterngruppen protestieren gegen woke Lehrpläne und Schulbibliotheken, empörte Leser verlangen immer häufiger die Aussonderung woker Bücher aus den Bibliotheken oder bedienen sich politischer Instrumente, um auf die Schul- und Bibliotheksverwaltungen Druck auszuüben und diese zu einer Änderung ihrer woken Politik zu veranlassen. Das alles ist aus Sicht der deutschen Woken natürlich politisch rechts und also irgendwie böse. Aber wenn Aufklärung, wie Adorno und Horkheimer einst schrieben, wirklich darin besteht, »sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten«, dann haben die Woken hierzulande das Aufwachen aus ihrem woken Traum und die schmerzhafte Ankunft in der Realität allerdings noch vor sich. Wir werden das nicht zuletzt daran ablesen können, welche unwoken Bücher dann von den Verlagen veröffentlicht und von den Bibliotheken gekauft werden.
Erstpublikation am 22. Mai 2023 auf Achgut.com. Die hier erscheinenden Version folgt der klassischen deutschen Orthographie, hat eine kleine Sachkorrektur und Abbildungen.