Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) spricht auf seiner Website davon, daß sein zentrales Anliegen »die Stärkung der Bibliotheken für einen freien Zugang zu Medien und Informationen für alle Bürger« sei. Das ist schön.
[Quelle: dbv.]
Sucht man dann auf der Website unter der Rubrik »Themen«, was der dbv sich unter dieser Stärkung denn nun ganz konkret vorstellt, findet man dort in einem dichten Feld von Zeitgeistigem einen Eintrag zu »Bibliotheken und Demokratie«, in dem wir erfahren, daß Bibliotheken »Orte gelebter Demokratie« seien, wobei der Artikel fünf des Grundgesetzes die verfassungsrechtliche Grundlage bibliothekarischer Praxis bilde. Auch das ist schön.
[Quelle: dbv.]
Ganz und gar nicht schön ist indessen, daß dieser plakativen Herausstreichung einer bibliotheksbetriebenen Demokratieförderung eine reale Praxis entspricht, deren Tendenz auf das genaue Gegenteil geht. Der Grund für diese reale Gegentendenz liegt nicht alleine im woken Zeitgeist, der von den bibliothekarischen Akteuren zunehmend Besitz ergreift, sondern vor allem in dem seit nunmehr zwanzig Jahren laufenden Transfer zu einem digitalen Informationswesen, dessen Kern die »Open-Access«-Ideologie darstellt. Bei diesem Transfer wurde und wird in den Wissenschaften und darüber hinaus die Vielfalt der von mittelständischen Verlagen getragenen (Fach-) Zeitschriften als eines zentralen Informationsmittels allmählich abgebaut und durch ein staatlich-digitales Informationswesen ersetzt, in dem die Bibliotheken so etwas wie die bürger- und wissenschaftsnahen Vermittlungsknoten sein sollen.
Wer in unseren digitalen Spaßzeiten auch nur ein bißchen historisches Bewußtsein bewahrt hat, der kann sich leicht ausmalen, daß ein politisches System, das die gesellschaftlichen Teilbereiche unifiziert, indem es alle ständischen, korporatistischen und familiären Zwischenzonen beseitigt, zuletzt in einen monströsen Leviathan umschlägt, der unter der Parole »Sicherheit und Schutz« den Bürgern diktiert, was Sache ist. Das gilt zumal für die Informationssache, die vom Staat übernommen und über die ausgebauten »Open-Access«-Strukuren zur Informationslenkungsmaschine umgebaut wird.
[Quelle: Hans-Christoph Hobohm: Bibliotheken und Demokratie in Deutschland).]
Diese bibliothekarische Informationslenkung findet nicht erst eines schönes Tages, sondern bereits hier und heute statt und ist längst in eine kaum noch kaschierte Zensur übergegangen. Sie bedient sich ganz konkret der Vorzensur, der Nachzensur und bei mißliebigen Akteuren der Beschränkung des Zugangs zum »Informationsmarkt« (deplatforming). Man muß nur das hier auf diesem Blog gesammelte Material durchgehen, und schon hat man die einschlägigen Beispiele parat:
-
Vorzensur: Wenn die Stanford University einem ihrer Wissenschaftler, der in einer »Open-Access«-Fachzeitschrift einen Artikel veröffentlichen will, die Bereitstellung von »Open-Access«-Publikationsgeldern verweigert, nicht aus Qualitätsgründen, sondern aus Gründen politischer Opportunität, dann haben wir einen Fall von Vorzensur. Er ist zusammen mit weiterem dieser Art hier dokumentiert.
-
Nachzensur: Wenn die Universitätsbibliothek Freiburg Bücher, die nicht auf dem Index jugendgefährdender Schriften stehen und auch sonst ohne juristische Restriktionen verkauft und sonstwie verbreitet werden können, von der Ausleihe sperrt und nur noch im Lesezahl unter Aufsicht lesen läßt, dann haben wir einen Fall von Nachzensur. Er ist hier dokumentiert.
-
Wenn ein bibliothekarischer Aggregator, der sich etwas darauf zugute hält, »independent« zu sein, meinen Blog aus der Liste der über den Aggregator zugänglichen Blogs streicht, dann ist das der Versuch, meinen Blog aus dem »Informationsmarkt« herauszudrängen, ganz so, wie man früher Verlagen oder Druckern die Konzession entzogen hat, wenn sie nicht parieren wollten. Der Fall ist hier dokumentiert.
Wer nun glaubt, im Bibliotheks- und Informationswesen, das ja, siehe oben, sich als Bollwerk der Meinungs- und Informationsfreiheit auf der Basis des Grundgesetzes versteht – im Bibliotheks- und Informationswesen würde angesichts dieser Zensurmaßnahmen ein Sturm der Entrüstung die Zensoren aus dem Amt fegen, der stellt erstaunt fest: Nichts dergleichen geschieht. Was vielmehr stattfindet, ist eine öffentliche Zurschaustellung der rechten Gesinnung, die die stattgehabten Zensurmaßnahmen mit dem besten Gewissen der Welt gutheißt und bei dieser Gelegenheit dann auch gleich noch persönlich nachkartet. Daß die eine oder andere Person, die auf diesem Zensurticket im Bibliothekswesen unterwegs ist, zugleich als Herausgeber einer bibliothekarischen Fachzeitschrift amtiert, die der »Open-Access«-Ideologie und der »Offenheit« verpflichtet ist, paßt dann allerdings in das Bild einer Bibliotheks- und Informationswelt, die woke abgebogen ist.
[Quelle: o-bib.]
Der Grund für die Perversion des Bibliotheks- und Informationswesens von einem »Ort gelebter Demokratie« (so der dbv) zu einem »Ort gelebter Zensur« ist natürlich wie in den anderen gesellschaftlichen Teilbereichen ebendie Dominanz des woken Gesellschafts- und Selbstverständnisses, das die eigenen politischen Obsessionen absolut setzt und den Staat als pflichtschuldigen Agenten dieser Obsessionen betrachtet. Diese Absolutsetzung der eigenen Ziele und die Inpflichtnahme des Staates für die Durchsetzung dieser Ziele wird dadurch legitimiert, daß die woken Ziele keine politisch beliebigen seien, sondern das Zentrum des politischen Wertekanons darstellten, so daß die rechten Begriffe von Person, Kultur, Ökonomie und demokratischem Staat in diesem Zentrum unabdingbar verwurzelt seien. Wer daher von diesem Ziel abweiche, gefährde unser Gesellschaftssystem und die Demokratie in unserem Land.
Nun ist es zweifellos richtig, daß jedes Gesellschaftssystem auf ein tragendes Fundament angewiesen ist, dessen Unterminierung zum Zusammenbruch des Systems führen würde. Aber es ist ebenso richtig, daß ein demokratisches Gesellschaftssystem nicht bestimmte Inhalte präferiert oder gar absolut setzt, sondern zunächst nichts weiter als ein Set von Regeln institutionalisiert, die es erlauben, das politische Personal auf allen Ebenen und zumal auf der obersten Ebene der Regierung bei Bedarf abzuwählen und grundlegende politische Entscheidungen zu revidieren und durch andere zu ersetzen. Als absolut ist in diesem System nichts gesetzt, außer das Regelsystem als solches, das freilich auf einem außerhalb des Regelsystems gründenden Verständnis von Personalität und Politik aufruht, für das die Freiheit von Zwang und das eigene Gewissen zusammen mit dem menschlichen Streben nach Wissen eine kulturell seit langem tradierte Einheit bilden.
[Quelle: Herrmann Rösch in Libreas #19.]
Der zeitgeistige Wokismus lädt nun dieses Regelset inhaltlich so auf, daß der Begriff der »Person« mit »muß divers sein« identifiziert, »Demokratie« mit »Kampf gegen rechts«, mit »pro EU und pro Weltstaat« und natürlich »pro Diversität« gleichgesetzt wird und die Ökonomie als ein ebenfalls möglichst diverses Unternehmen zum »Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel« in Dienst genommen werden kann. Dadurch wird die Demokratie, anstatt weiterhin als System zur Abwahl von Regierungen und zum Austausch grundlegender politischer Entscheidungen fungieren zu können, auf dem Stand des gegenwärtigen Zeitgeistes inhaltlich eingefroren und in ihr Gegenteil verkehrt. Es ist ab sofort ein System zum Ausschluß politischer Konkurrenten; es zementiert ein Parteienkartell, das die politischen Ämter als Pfründen unter sich verteilt; und es verunmöglicht politische Neuentwürfe, die jenseits dessen liegen, was das Parteienkartell und die von ihm besetzten politischen, ökonomischen und juristischen Schaltstellen zulassen.
Orchestriert wird das Ganze von jenen sattsam bekannten Milliadärssozialisten und den ihnen gehörenden und zuarbeitenden Trusts und Stiftungen, die seit einem Vierteljahrhundert daran arbeiten, die Nationalstaaten zu zerlegen und an ihre Stelle ein globales System zu errichten, das durch den Einsatz digitaler Steuerungsinstrumente in die Lage versetzt werden soll, nicht nur die Bewegung von Waren und Menschen weltweit zu kontrollieren, sondern natürlich auch die Informations- und Geldströme. Denn wer der Herr dieser Ströme ist, der hat die Macht. Global.
[Quelle: BOAI.]
Bislang waren diese Machtströme gleichsam unterirdisch geflossen, aber sie traten immer wieder da und dort zu Tage, im Bibliothekswesen am deutlichsten als »Open Access«, das von Beginn an von George Soros und dem britischen Wellcome Trust gefördert wurde. Dank »Corona« haben wir nun die Möglichkeit, diese Ströme und die stromlenkenden Akteure bei der täglichen Manipulationsarbeit genauer beobachten zu können, denn kaum ein Tag vergeht, da wir nicht davon hören und lesen, wie das World Economic Forum, der Wellcome Trust, George Soros mit seinen »Open Society Foundations« sowie die »Bill & Melinda Gates Foundation« ihre ganz eigenen Vorstellungen von Gesundheit, Wirtschaft, Kultur und Politik durchzusetzen versuchen.
Das Bibliotheks- und Informationswesen nicht nur in Deutschland muß man inzwischen als billiges und williges Anhängsel dieser globalistischen Akteure betrachten.