Es geht wieder los

Geschrieben von Uwe Jochum am 14.11.2023

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Vom Unterscheiden

Es geht wieder los. Die BILD-Zeitung meldet gerade, daß Deutschland wegen Grippe, Corona und sonstigen Atemwegsviren flach liegt. Und das Blatt mit den großen Buchstaben läßt uns wissen: Die Inzidenzzahlen sind höher als zu Zeiten der Maskenpflicht, weil ebendiese Maskenpflicht im öffentlichen Raum abgeschafft wurde.

Und schon sieht man, wie da und dort dem einen und der andern der Schreck in die Glieder und die Maske aufs Gesicht fährt. Da schimpft es auf Twittr-bzw-X, wie unhöflich und unachtsam es sei, jetzt bei beginnender Grippe-und-Corona-Saison in Bus und Bahn und sonstwo keine Maske zu tragen; schließlich gehe es darum, sich und andere zu schützen. Eine Stadträtin aus Chemnitz erklärt ihren Followern, daß sie nach negativem Corona-Test jetzt mit FFP2-Maske in eine Stadtratssitzung geht. Und dem Schweizer »Blick« erzählt der oberste Kantonsarzt des Kantons Zug, daß er auch ohne behördliche Empfehlung zum Maskentragen rät und sicherheitshalber auch immer einen Infektionslappen bei sich trägt. Und was der Arzt aus Zug nur erst rät, hat Lauterbach in Berlin streng im Blick: Er läßt uns via »Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung« wissen, daß das Maskentragen das Infektionsrisiko dann am wirkungsvollsten senkt, wenn möglichst alle anwesenden Personen eine Maske tragen.

[Quelle: Twittr/X]

Ja, sie sind wieder da: die angeblich achtsamen Damen im Supermarkt und der Arztpraxis, die angeblichen Virenexperten und die angeblichen Qualitätsmedien, die uns in eine Zange nehmen wollen. Der eine Schenkel dieser Zange ist das schlechte Gewissen, das man uns macht; und der andere Schenkel ist die Corona-Expertise irgendeines Menschen, der uns als Fachmann angedient wird. Aber machen wir uns nichts vor: Sie alle sind »Idioten« im ursprünglichen Sinn des Wortes, nämlich in dem Sinn, den das griechische Wort idiótes auf den Begriff bringt: einzelne Bürger, die zwar mit einer Meinung auftrumpfen, aber das Insgesamt des Gemeinwesens aus dem Blick verloren haben und ihre Privatmeinung samt ihre Privatangst in den öffentlichen Raum so hineinspielen, als sei das, was sie sagen, verallgemeinerbar.

In Wahrheit ist es aber bloß die Privatmeinung von Laien – auch das meint das griechische Wort idiótes. Sie sehen auf die Sache aus einer sehr beschränkten Perpektive und haben von den gesellschaftlichen Folgen ihrer Meinung keinen Begriff. Es sind daher idiotische Meinungen ohne Rückhalt in der Wirklichkeit, es sind Ängste, Phobien und Neurosen in Kombination mit Großmannssucht und Eitelkeit, die sich eine Ausdrucksform gesucht und in der Maske gefunden haben. Jeder, der sich die Mühe gemacht hat, durch eigenes und genaues Beobachten und durch eigene Lektüre sich zur Wirklichkeit durchzuarbeiten, weiß durch den Blick in sein Umfeld und dank einer empirischen Studie mit Schülern aus Katalonien, dank eines Vergleichs von Nord- mit Süddakota, dank einer empirischen Studie aus Dänemark und dank der Cochrane-Review vom Januar diesen Jahres, daß es keine Evidenz dafür gibt, daß durch das Tragen von Masken egal welcher Machart sich der Infektionsverlauf in einer Population ändern läßt.

Universitätsklinikum Tübingen im November
2023 [Quelle: Universitätsklinikum Tübingen im November 2023.]

Das wird die idiótai – ich muß hier griechisch sprechen, damit mich unsere hyperaktiv gewordenen Staatsanwält:Innen nicht mißverstehen – also: das wird die idiótai nicht hindern, weiter Masken zu empfehlen und auch selbst zu tragen. Denn für sie ist es die Fortsetzung eines dreijährigen Erfolgsrezepts, mit dem sie öffentlich als die besseren Menschen auftreten durften.

Und wir, die wir in diesem Spiel die Rolle der Schlechten und Bösewichter zu spielen hatten? Was machen wir jetzt, da sie wieder sichtbar werden mit ihren Masken? Sollen wir sie bedauern, weil wir in viel zu vielen Fällen sehen, wie sehr hier die Angst die Seele aufgefressen und das Denken gelähmt hat?

Das hieße diejenigen davonkommen zu lassen, für die die Maske nur das Versteck war, hinter der sie ihre wahren Absichten verbergen und aus dem heraus sie ihre Mitmenschen zynisch manipulieren konnten. Was also können wir tun angesichts solcher Zyniker der Macht, die von der Angst der anderen profitierten und immer noch profitieren und immer noch in Amt und Würden sind?

Sesselkleber [Quelle: Internet.]

Nun, gegen die Klebekompetenz dieser Menschen können wir vorerst nichts machen. Sie kleben an ihrem Sessel fest. Aber ihre Amtswürde können wir in Frage stellen, indem wir die Sesselkleber als das nehmen, was sie am wenigsten sein wollen: Wir nehmen sie als Politdarsteller, die so tun als ob, und das zumeist auch noch schlecht; als Politdarsteller, die sich um das Volk nicht scheren und nur an sich denken und an den nächsten »Deal«, der ihnen nützt.

Als solche sind unsere Sesselkleber hochgradig lächerlich, und das muß man dann auch so sagen. Nicht im allgemeinen, wo es wolkig verpufft, sondern im konkreten, wo es als Lösungsmittel für den Klebstoff wirkt, mit dem sich der Politdarsteller in seinen Amtssessel geklebt hat. Von der Sache her ist es ganz einfach: Wir müssen uns nur daran gewöhnen, denjenigen, der wieder einmal besonders schneidig auf Maske macht, mit seinem Namen und als den zu nennen, der er ist: ein idiótes.


Der vorstehende Text wurde am 7. November 2023 als Kommentar in der Sendung »Kontrafunk aktuell« gesendet und am 12. November 2023 auf Achgut.com publiziert. Ich habe in der hier veröffentlichten Version den Link auf die »Cochrane Review« und das Veröffentlichungsdatum aktualisiert.